500 Jahre Reinheitsgebot: „Biernation heißt nicht besoffene Biertrinker-Horde“

  23 April 2016    Gelesen: 857
500 Jahre Reinheitsgebot: „Biernation heißt nicht besoffene Biertrinker-Horde“
Was in anderen europäischen Ländern erlaubt ist, schließt das Reinheitsgebot seit schon genau 500 Jahren für das deutsche Bier aus: Die Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker. Inzwischen gibt es dem Bierexperten Ralf Zmölnig zufolge auch Kritik an der Vier-Rohstoffe-Regel.
„Es gibt aber auch Stimmen, die hinter dem Reinheitsgebot eine rein protektionistische Maßnahme sehen“, sagt Ralf Zmölnig, Autor bei der Plattform bierologie.de, im Interview für Sputnik. Er selber gehöre aber der anderen „Fraktion“ an: „Es gibt ja Bier, das nach Kirsche oder sonst noch was schmeckt, aber ich persönlich freue mich, wenn ich einfach ein schönes regionales Bier trinke und weiß, dass es da außer den genannten Zutaten nichts drin ist.“

Das Reinheitsgebot habe sich in den 500 Jahren nicht geändert, betont Marc-Oliver Huhnholz, Pressesprecher des Deutscher Brauer-Bundes e.V., im Gespräch mit Sputnik: „Wir haben eine massive technologische Entwicklung erlebt, nicht verändert hat sich im Laufe der Jahrhunderte aber die Orientierung an den wenigen Rohstoffen: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Das Reinheitsgebot steht also für die Einschränkung auf die vier Zutaten und den Ausschluss den in Europa zugelassenen Extra-Zusatzstoffe.“ Die ältesten Biere werden ihm zufolge obergärige Biere mit einer dunkelbrauen Färbung gewesen sein, was an dem Rostverfahren für das Malz gelegen habe. Heute gebe es Biere, die, obwohl sie mit diesen vier Zutaten gebraut wurden, nach Orange, Grapefruit oder Schokolade schmecken, das liege aber nur an der geschickten Braukunst. Zmölnig zufolge habe sich auch ein starker Trend um die Kraftbier-„Szenarie“ entwickelt.

Das Reinheitsgebot, ursprünglich die Verordnung von Wilhelm IV. „Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll“, regelte neben der Rohstoffkombination auch die richtige Verkostungsweise. Kühl, aber nicht wirklich kühl, einigen sich beide Experten: „Das deutsche Bier in einem bayerischen Wirtshaus ist am besten ausgeschenkt, wenn es mit Schaum kommt, indem das Glas kühl, aber nicht wirklich gekühlt, und nicht warm ist, und mit einem freundlichen Lächeln serviert wird“, erklärt Zmölnig. „Immer gut gekühlt, nicht zu kalt, und in einem mit Liebe eingeschenkten Glas. Es kommt hauptsächlich darauf an, dass die Kombination zwischen guter Kohlensäure, einer entsprechenden Temperatur und dem gut vorbereiteten Glas gut passt, dass jeder schon beim Angucken, dann beim Riechen, Genießen und Runterschlucken Freude hat“, präzisiert Huhnholz.

Die Restriktion auf die vier Rohstoffe bedeute noch nicht eine geringe Zahl von Biersorten, so Huhnholz weiter: „Wir sind und bleiben die Biernation im Herzen Europas: Nirgendwo in Europa wird so viel Bier produziert wie in Deutschland. Das Bier ist das Nationalgetränk der Deutschen. Unter Berücksichtigung des Reinheitsgebotes gibt es rund 5.500 Biermarken im Handel, so dass jeder Bierfreund über 15 Jahre jeden Tag ein anderes Bier trinken könnte, ohne sich zu wiederholen.“

Eine Biernation sei dabei, wie im gängigen Mythos, mit einer „Horde besoffener Biertrinker“ nicht gleichzustellen, warnt Zmölnig: „Hinter dem Bierkonsum steckt ein Faktor der Gemütlichkeit und etwas Verbindendes, wenn zum Beispiel beim Oktoberfest mehrere Millionen Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen, um in Zelten primär Bier zu trinken. Das Argument muss genug sein, um uns nicht als eine Horde besoffener Biertrinker abzustellen.“

Quelle: sputniknews.com

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