Dass Lugner keine Aussicht auf das Amt des Bundespräsidenten hat, ist keine Überraschung. Die anderen beiden Namen aber bergen politischen Sprengstoff: Hundstorfer tritt für die SPÖ an, Khol für die ÖVP. Die Volksparteien stellen nicht nur gemeinsam die Regierung, sie dominieren auch seit dem Ende des 2. Weltkrieges die politische Landschaft in Österreich. Wenn die Umfrageinstitute nicht kolossal falsch liegen, scheiden also die Kandidaten der staatstragenden Parteien aus dem Rennen um das Amt des Bundespräsidenten aus. "Wenn das passiert, ist das eine historische Zäsur", sagt der österreichische Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit n-tv.de. Und dann steht ja noch nicht einmal fest, wer in die Hofburg einzieht.
Schrille Töne im Wahlkampf
Die Bedeutung, die der Bundespräsidentschaftswahl zukommt, lässt sich nur verstehen, wenn man sich die Stimmung der letzten Monate in Österreich vergegenwärtigt. Das Land leidet an einer Hysterie, an einer Art politischer Schnappatmung. Verursacht durch jahrelangen Stillstand unter der Großen Koalition von SPÖ-Kanzler Werner Faymann, ausgelöst von der Asylkrise. Wer sich die Maßnahmen der Regierung in den letzten Monaten anschaut, muss den Eindruck bekommen, Österreich befinde sich im Kriegszustand: Die Grenzen werden dicht gemacht, Soldaten an den Brenner geschickt, ein neues Asylgesetz soll es ermöglichen, alle Asylanträge abzuweisen, wenn die "öffentliche Ordnung" gefährdet ist. Es ist Politik in Ausrufezeichen.
In dieser Atmosphäre polarisiert sich die Gesellschaft, wie Politikwissenschaftler Anton Pelinka im Interview mit n-tv.de erklärte. Die besten Chancen haben die zwei Männer, die völlig entgegengesetzte Positionen vertreten, vor allem in der Asylfrage: Alexander van der Bellen, ein Intellektueller, der zehn Jahre lang Bundessprecher der Grünen war, und Norbert Hofer, ein bis zum Wahlkampf relativ unbekanntes Gesicht der rechtspopulistischen FPÖ. Beide schlugen einen Ton an, der nur schlecht zur repräsentativen Funktion des Präsidenten passt: Van der Bellen kündigte an, im Falle eines Sieges der Rechten bei der Nationalratswahl 2018 eine Regierung unter Parteichef Heinz-Christian Strache nicht zu vereidigen. Hofer bezeichnete seinen Kontrahenten daraufhin als "faschistischen Diktator", hegt aber seine eigenen Allmachtsphantasien: Wenn er in die Hofburg einzieht, will er die Regierung entlassen. Auf die Frage, ob das überhaupt so einfach gehe, antworte er im ORF maliziös: "Sie werden sich noch wundern, was alles geht."
Der Wiener Politikberater Thomas Hofer sieht solche Aussagen als "eine Art hyperventilierende Amtsanmaßung", die vor allem der Taktik geschuldet seien: "Van der Bellen hat sich wie der Wiener Bürgermeister Häupl als Anti-Blauer positioniert. Und Hofer muss das FPÖ-Potenzial mobilisieren, die blauen Wähler sind dem Amt gegenüber traditionell skeptisch." Die dritte Kandidatin mit guten Chancen auf die Stichwahl, Irmgard Griss, betonte im Wahlkampf immer wieder ihre Unabhängigkeit als größten Trumpf.
Hauptsache keiner aus der Großen Koalition
Auch wenn der Gewinner oder die Gewinnerin erst am 22. Mai fest steht – die großen Verlierer werden wohl SPÖ und ÖVP heißen. Die große Zeit der beiden Volksparteien, sie scheint vorüber. ""Die Arbeitsmarktzahlen entwickeln sich dramatisch schlecht, die Verwaltungsreform ist seit Jahrzehnten nicht gelöst, die Realeinkommen sinken. Abstiegsängste gehen um, selbst in der Mittelschicht", sagt Thomas Hofer. "Das gibt es auch in Deutschland, aber in Österreich kommt hinzu, dass die alles dominierende Konstellation Rot-Schwarz als Teil des Problems empfunden wird."
Richard "Mörtel" Lugner brachte es in der ORF-Elefantenrunde in seiner eigenwilligen Sprache auf den Punkt: "Die Leute haben bis zur Nase alles voll von Rot-Schwarz." Das klingt nach Stammtisch, Recht hat er trotzdem. Politikberater Thomas Hofer unterfüttert den Eindruck mit Zahlen: 1999 seien noch zwei Drittel der Befragten mit dem Zustand der österreichischen Demokratie zufrieden gewesen, 2000 war es nur noch die Hälfte, und eine aktuelle Untersuchung komme nur noch auf 30 Prozent. "Es zeigt sich eine Anti-System-Haltung, die man nicht unterschätzen darf."
Wie sich diese Haltung in Machtverhältnissen ausdrücken wird, ist noch unklar. Die Hofburg scheint verloren. Im Bund führt derzeit die FPÖ die Umfragen mit rund 30 Prozent an, weit vor SPÖ und ÖVP. Die Erben von Haider an der Macht, ein Kanzler Heinz-Christian Strache – das sind reale Optionen. Allerdings wird erst 2018 gewählt. Das Wort "Neuwahlen" kursiert zwar seit Monaten, wirklich rechnen tut damit aber niemand. "Das ist unwahrscheinlich", sagt Thomas Hofer. "Aber: Ich würde Neuwahlen nicht vollkommen ausschließen, auch wenn es absolut irrational wäre, weil die Koalitionäre nichts gewinnen können." Bis jetzt hält der Koalitionsfrieden, Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann und sein ÖVP-Pendant haben sich vorerst darauf geeinigt, weiterzumachen. Aber solche Vereinbarungen können eine beeindruckend kurze Halbwertszeit haben. "Nur eins ist jetzt schon klar", sagt Politikberater Thomas Hofer: "Es wird eine historische Wahl."
Quelle: n-tv.de
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