Der venezolanische Oppositionskandidat Edmundo González hat laut einer AP-Analyse von Auszählungsprotokollen der Präsidentenwahl vom 28. Juli deutlich mehr Stimmen erhalten, als von der Regierung behauptet. Dies mehrt die Zweifel am von der linientreuen Wahlbehörde offiziell verkündeten Wahlsieg von Amtsinhaber Nicolás Maduro.
Die Nachrichtenagentur AP hat fast 24.000 Bilder von Auszählungsprotokollen verarbeitet, die die Opposition am Freitag veröffentliche. Sie repräsentieren die Ergebnisse von 79 Prozent der Wahlmaschinen. Die Stimmenzahlen wurden für jedes Protokoll mit QR-Codes verschlüsselt. AP hat diese Codes entschlüsselt, die Zahlen analysiert und so 10,26 Millionen Stimmen nachgezählt. Nach diesen Zahlen erhielt Gonzáles 6,98 Millionen Stimmen, während Maduro auf 3,13 Millionen Stimmen kam.
Der nationale Wahlrat hatte Maduro am 29. Juli zum Wahlsieger erklärt, aber keine Einzelergebnisse aus den Wahllokalen veröffentlicht. Am Freitag gab er aktualisierte Ergebnisse bekannt, die nach seinen Angaben auf 96,87 Prozent der Auszählungsprotokolle beruhen. Danach kam Maduro auf 6,4 Millionen Stimmen und González auf 5,3 Millionen. Wahlratspräsident Elvis Amoroso begründete die späte Aktualisierung der Ergebnisse mit "massiven Angriffen" auf die "technologische Infrastruktur".
USA sehen "überwältigende Beweise"
González und Oppositionsführerin María Corina Machado hatten bereits am Montag nach der Wahl erklärt, die Opposition habe die Auszählungsprotokolle von Wahllokalen im ganzen Land gesichert. Diese zeigten, dass Maduro haushoch verloren habe. Tausende Oppositionsanhänger gingen auf die Straße. Die Regierung erklärte, Hunderte Demonstranten seien verhaftet worden.
Etliche Staaten, darunter auch Regierungen, die Maduro politisch nahestehen, zweifelten das Ergebnis an und forderten Venezuela auf, Einzelergebnisse zu veröffentlichen. Daraufhin rief Maduro den Obersten Gerichtshof des Landes auf, das Wahlergebnis zu überprüfen. Das Gericht gilt jedoch ebenfalls als regierungsloyal und wenig glaubwürdig.
Brasilien, Kolumbien und Mexiko versuchten, Maduro davon zu überzeugen, eine unparteiische Überprüfung der Wahlergebnisse zuzulassen. Die Regierungen der drei Länder forderten in einer gemeinsamen Erklärung die venezolanischen Wahlbehörden auf, "zügig voranzukommen und detaillierte Wahldaten zu veröffentlichen".
Die US-Regierung erklärte, es gebe überwältigende Beweise für einen Wahlsieg von Gonzáles. Dagegen sagte der russische Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin, russische Wahlbeobachter hätten den legitimen Wahlsieg Maduros bezeugt. Die USA versuchten, Spannungen in dem Land zu schüren.
Maduro beleidigt González
Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Caryslia Rodríguez, forderte die Präsidentschaftskandidaten und ihre Parteien auf, alle erforderlichen Dokumente bereitzustellen, während das Gericht die Ergebnisse zu überprüfen versucht.
Maduro nutzte die Gelegenheit, um González als "Kandidaten des Faschismus" zu bezeichnen und versprach, alle Wahlauszählungen zu übergeben. Später versuchten Maduro und sein Wahlkampfmanager, der Präsident der Nationalversammlung, Jorge Rodriguez, die von der Opposition online veröffentlichten Auszählungsprotokolle zu diskreditieren, indem sie argumentierten, dass darauf die Unterschriften des Vertreters des Wahlrats sowie der Wahlhelfer und der Parteivertreter fehlten.
Die Opposition bot den Wählern zunächst die Möglichkeit, gescannte Kopien der Auszählungsprotokolle online einzusehen. Nach Kritik und Drohungen von Maduro und seinem inneren Kreis veröffentlichte das Wahlkampfteam die Scans.
Die Auszählungsprotokolle, auf Spanisch actas genannt, sind lange Ausdrucke, die Einkaufsquittungen ähneln. Sie gelten seit Langem als der ultimative Beweis für Wahlergebnisse in Venezuela. Die AP konnte die Authentizität der 24.532 von der Opposition bereitgestellten Auszählungsprotokolle nicht unabhängig prüfen. 96 Prozent der Protokolle konnten ausgewertet werden. Die übrigen vier Prozent der Scans waren so schlecht, dass sie nicht zu analysieren waren.
Quelle: Regina Garcia Cano, Joshua Goodman, Angeliki Kastanis, AP
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