Das Sterben in Aleppo geht weiter
In der Stadt im Norden des Landes stehen sich Soldaten von Präsident Baschar al-Assad und Rebellen seit Jahren gegenüber. Die jüngsten Kämpfe haben laut Beobachtern 250 Zivilisten das Leben gekostet. In den vergangenen Tagen waren die schwersten Kampfhandlungen seit Ausrufung der Waffenruhe Ende Februar aufgeflammt.
Fast 30 Angriffe wurden am Samstag auf Rebellengebiete in Aleppo geflogen, wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Es sei davon auszugehen, dass die syrische Luftwaffe dafür verantwortlich war. In den Vierteln in der Hand staatlicher Truppen sei es etwas ruhiger gewesen, auch wenn sporadisch Granaten aus dem Gebiet der Aufständischen einschlügen. Seit Beginn der Angriffe am 22. April wurden der Gruppe zufolge 140 Menschen in den von Rebellen, 96 Menschen in den von Regierungssoldaten gehaltenen Stadtteilen getötet. International für besonders scharfe Kritik sorgte ein Angriff auf ein Krankenhaus in Rebellengebiet, bei dem allein 50 Menschen starben.
Aleppo gilt derzeit als wichtigster Schauplatz im syrischen Bürgerkrieg. Um die einst größte Stadt des Landes wird so erbittert gekämpft, weil ihre vollständige Rückeroberung durch Regierungstruppen ein Triumph Assads über die Aufständischen in dem seit fünf Jahren andauernden Bürgerkrieg wäre.
Russland gegen Waffenruhe in Aleppo
Syriens enger Verbündeter Russland hat sich gegen eine sofortige Feuerpause im Raum Aleppo ausgesprochen. Der Kampf gegen Terrorgruppierungen in der Region sollte fortgesetzt werden, sagte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow. "Wir werden keinen Druck ausüben, weil man verstehen muss, dass ein Kampf gegen den Terror stattfindet. Und die Situation in Aleppo steht im Zusammenhang mit diesem Kampf", sagte Gatilow.
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat zwar in der Stadt keinen Ableger, soll sich aber nach russischen Angaben mit anderen bewaffneten Gruppen verbündet haben. Von der seit Februar offiziell geltenden Waffenruhe in Syrien sind die Al-Nusra-Front und der IS ausgenommen.
Steinmeier organisiert Syrien-Spitzengespräch in Berlin
Zugleich gehen die Bemühungen um einen Frieden in Syrien auf diplomatischer Ebene weiter. Eine neue Initiative hat nun Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ergriffen. Er will die Blockade der Genfer Syrien-Friedensgespräche überwinden und hat dazu den syrischen Oppositionsführer Riyad Farid Hidschab und den UN-Sondergesandten Staffan de Mistura zu Gesprächen nach Berlin eingeladen. Von einer Lösung sei man noch "weit entfernt", sagte der SPD-Politiker der Welt am Sonntag. "Manches ist erreicht, aber selbst das Erreichte ist fragil. Nach fünf Jahren Bürgerkrieg und 300.000 Toten bleibt es wichtig, alle Akteure an den Verhandlungstisch zu kriegen und dort zu halten."
Die neuerlichen Kämpfe rund um Aleppo und Damaskus sind auch für Steinmeier besorgniserregend. Angriffe auf Krankenhäuser seien abscheulich und unentschuldbar. Eine kurzfristige Zukunft Syriens ohne das bisherige syrische Regime kann Steinmeier nicht erkennen. In den Genfer Verhandlungen zwischen syrischer Regierung und Opposition gehe es jetzt "noch nicht darum, Baschar-al Assad sofort und unmittelbar als Präsident abzulösen, sondern eine effektive Übergangsregierung – mit Vertretern der Opposition und des Regimes – mit exekutiven Aufgaben zu bilden", sagte er.
Kerry reist zu Syrien-Gesprächen nach Genf
US-Außenminister John Kerry reist nach Angaben aus Washington zu Syrien-Gesprächen nach Genf. Dort werde er mit seinen Kollegen aus Jordanien und Saudi-Arabien sowie mit dem UN-Sondergesandten de Mistura zusammenkommen, teilte das Außenministerium mit. Bis einschließlich Montag werde Kerry in Gesprächen darauf dringen, Bemühungen um eine Feuerpause in ganz Syrien zu stärken, Zugang für Hilfsorganisationen zur notleidenden Bevölkerung sicherzustellen und auf eine politische Lösung des Konflikts hinzuwirken.