Bei dem zweiten Todesopfer handelt es sich demnach um die 33-jährige Annika W. Sie stammte den Ermittlern zufolge aus Niedersachsen und soll 2013 über eine Anzeige Kontakt zu dem Tatverdächtigen Wilfried W. aufgenommen haben. Kurz darauf sei sie in das Haus in Höxter eingezogen, noch im selben Jahr habe sie Wilfried W. geheiratet. In der Folge sei es zu schweren Misshandlungen der Frau gekommen. Man habe sie etwa an Heizungen festgekettet, auf dem kalten Fußboden schlafen lassen. Der körperliche Zustand des Opfers habe sich stetig verschlechtert.
Im Sommer 2014 sei dieser Zustand lebensbedrohlich geworden, am 1. August sei Annika W. verstorben. Die Täter sollen die Leiche in einer Tiefkühltruhe aufbewahrt und sukzessive in kleine Stücke zerteilt haben. Diese verbrannten sie den Ermittlern zufolge im Ofen des Wohnzimmers und verstreuten die Asche in der Umgebung. "Es waren Abgründe die sich da auftaten", sagte der Leiter der Mordkommission "Bosseborn", Ralf Östermann.
Besonders perfide: Vom Handy der Toten sollen noch SMS an ihre Mutter gesendet worden sein, um diese zu beruhigen. Tatsächlich wurde keine Vermisstenanzeige erstattet. Die Mutter erfuhr erst jetzt vom Tod der Tochter.
Die Ermittler stützen ihre Erkenntnisse im Wesentlichen auf Aussagen der beschuldigten 47-jährigen Angelika B. Diese werden von der Polizei als glaubwürdig eingeschätzt. "Sie decken sich mit den Ermittlungsergebnissen." Demnach hätten Zeugen bestätigt, dass sich das zweite Opfer in dem Haus in Höxter befunden habe. Ab Herbst 2013 sei Annika W. dort auch gemeldet gewesen. Das Paar habe sie nach ihrem Tod abgemeldet
Der Tatverdächtige bestreitet die Vorwürfe. Die beschuldigte 47-Jährige habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, sagte Östermann. Die Ex-Frau und Komplizin sei ebenfalls massiv misshandelt worden, sagten die Ermittler. Die 47-Jährige sei ihm "hörig" gewesen. Beide Beschuldigten sollen nun psychiatrisch begutachtet werden. Es sei vorrangig um eine Machtbeziehung zu den Opfern gegangen, nicht ausschließlich um eine sexuelle Beziehung, so die Ermittler.
Die Ermittler bestätigten die Version, dass das erste entdeckte Opfer, die 41-jährige Susanne F. 41, nach den schweren Misshandlungen durch die mutmaßlichen Täter mit einem Auto in ihre Wohnung nach Gandersheim gebracht werden sollte. Man habe befürchtet, sie könne im Haus in Höxter sterben. Wegen eines Motorschadens sei das Auto liegengeblieben, das Paar habe versucht, per Taxi weiterzufahren, der Zustand des Opfers habe sich aber so massiv verschlechtert, dass ein Rettungswagen gerufen wurde.
In Medienberichten war darüber spekuliert worden, ob der Mordfall Frauke Liebs in Zusammenhang mit den aktuellen Fällen stehen könne. Die 21-jährige Schwesterschülerin aus Lübbecke war am 20. Juni 2006 verschwunden, ihre Leiche später in der Nähe von Höxter gefunden worden. "Frauke Liebs ist ein Prüffall", sagte Kriminalhauptkommissar Östermann hierzu. Man werde akribisch untersuchen, ob eine Verbindung zu den aktuellen Fällen bestehe. Es sei aber zu früh, hierüber eine Aussage zu treffen.
Die Ermittler bestätigte Medienberichte, wonach Wilfried W. 1995 wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.
Anmerkung der Redaktion: In dem Artikel hieß es, die Ermittler hätten Hinweise darauf, dass insgesamt drei Frauen in dem Haus gestorben sein könnten. Tatsächlich gehen die Ermittler derzeit von zwei Toten aus, konkrete Hinweise auf ein drittes Todesopfer liegen der Polizei nach eigenen Angaben nicht vor. Wir haben die entsprechenden Stellen korrigiert.
Quelle : spiegel.de
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