“Schwulenparagraf“: Verurteilte Homosexuelle sollen entschädigt werden

  11 Mai 2016    Gelesen: 580
“Schwulenparagraf“: Verurteilte Homosexuelle sollen entschädigt werden
Zehntausende Menschen wurden in Deutschland wegen des früheren Paragrafen 175 verurteilt - mitunter zu mehrjährigen Haftstrafen. Nun sollen die betroffenen Homosexuellen rehabilitiert werden.
Homosexuelle Männer, die nach dem berüchtigten Paragrafen 175 verurteilt wurden, müssen laut dem Gutachten eines Staatsrechtlers rehabilitiert und entschädigt werden. "Die mehr als 50 000 Opfer sind durch Verfolgung und Verurteilung im Kernbestand ihrer Menschenwürde verletzt worden", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders.

Homosexuelle Handlungen unter Männern waren bis 1994 strafbar, die entsprechende Regelung im Strafgesetzbuch war jahrzehntelang ausgesprochen umstritten. Der Paragraf 175 wurde schließlich abgeschafft, die Urteile aber nie aufgehoben. "Diese Ungerechtigkeit darf der Gesetzgeber nicht länger hinnehmen", sagte Lüders.
Das Gutachten des Münchener Staatsrechtlers Martin Burgi empfiehlt die kollektive Rehabilitierung der Betroffenen durch ein Aufhebungsgesetz. Dies würde den Opfern ersparen, in einer Einzelfallprüfung erneut mit der entwürdigenden Verletzung ihrer Intimsphäre konfrontiert zu werden. Die Entschädigung soll über einen Fonds organisiert werden.

"Von Anfang an verfassungswidrig"

Die Bundesrepublik hatte den 1935 durch die Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs übernommen. Bis zur Entschärfung 1969 wurden nach Schätzungen rund 50.000 Männer zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, danach noch einmal etwa 3500. In der DDR wurde die Regelung bereits 1968 abgeschafft.

Justizminister Heiko Maas begrüßte das Ergebnis des Gutachtens. "Der Staat hat Schuld auf sich geladen, weil er so vielen Menschen das Leben erschwert hat", sagte der SPD-Politiker laut einer Mitteilung. "Der Paragraf 175 StGB war von Anfang an verfassungswidrig. Die alten Urteile sind Unrecht. Sie verletzen jeden Verurteilten zutiefst in seiner Menschenwürde."

"Diese Schandtaten des Rechtsstaats werden wir niemals wieder ganz beseitigen können", so Maas weiter, "aber wir wollen die Opfer rehabilitieren. Sein Ministerium werde daher einen Gesetzentwurf zur Aufhebung von Verurteilungen wegen des Paragrafen sowie einen daraus entstehenden Entschädigungsanspruch erarbeiten. Maas hatte bereits 2014 angekündigt, die Opfer rehabilitieren zu wollen.

Der Lesben- und Schwulenverband forderte, noch in dieser Legislaturperiode die Empfehlungen des Gutachtens umzusetzen. "Die Zeit drängt, damit Opfer der Homosexuellenverfolgung noch die Aufhebung der Unrechtsurteile und die Wiederherstellung ihrer Würde erleben."

Quelle : spiegel.de

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