Visa-Streit gefährdet Flüchtlingspakt

  12 Mai 2016    Gelesen: 1175
Visa-Streit gefährdet Flüchtlingspakt
Die Fronten zwischen der EU und der Türkei beim Ringen um die Visafreiheit verhärten sich. Das EU-Parlament pocht auf die Änderung der Anti-Terror-Gesetze und sieht Ankara in der Pflicht. Aus der Türkei kommen Drohungen, den Deal platzen zu lassen.
Die Europäische Union will sich von der Türkei nicht unter Druck setzen lassen und schiebt die von Ankara angestrebte Visafreiheit auf die lange Bank. Führende EU-Politiker bekräftigten, die Türkei müsse erst alle Vorbedingungen erfüllen und auch ihre Anti-Terror-Gesetzgebung ändern, bevor die Visumpflicht für Türken fallen könne. Deren angestrebte Aufhebung bis Ende Juni scheint inzwischen mehr als fraglich.

Da die Regierung in Ankara ebenfalls auf Konfrontationskurs steuert, wird auch die Zukunft des Flüchtlingspakts mit der EU immer ungewisser. Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, sagte im Deutschlandfunk, es sei "absolut außerhalb jeder Diskussion", dass das Europaparlament mit den Beratungen beginne, wenn Ankara die Voraussetzungen für die Visafreiheit nicht erfüllt habe - zumal mit dem Datenschutz und Anti-Terror-Paket zwei der wesentlichsten Voraussetzungen "nicht nur nicht erfüllt sind, sondern nicht mal angepackt sind". Er habe deshalb die Vorlage der EU-Kommission nicht an den zuständigen Justizausschuss weitergeleitet.

Auch die niederländische Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert bekräftigte als Vertreterin der EU-Ratspräsidentschaft: "Die Visaliberalisierung kann nur auf der Grundlage von Verdiensten und nicht von politischen Überlegungen erfolgen."

Türkischer Minister: Änderung der Anti-Terror-Gesetze nicht nötig

Hintergrund ist die Weigerung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Anti-Terror-Gesetze seines Landes - wie von der EU gefordert und zunächst auch mit der Türkei vereinbart - zu ändern. Direkte Auswirkungen des Streits um die Visafreiheit auf den Flüchtlingspakt zeichnen sich ab. Erdogan-Berater Burhan Kuzu drohte den EU-Parlamentariern via Twitter: "Sollten sie eine falsche Entscheidung treffen, schicken wir die Flüchtlinge."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge skeptisch, dass die Türkei alle Voraussetzungen für die Visafreiheit erfüllen wird. Demnach sagte er bei der Sitzung der Unionsfraktion laut Teilnehmern: "Wenn nicht, dann wird es keine Visafreiheit geben."

Die Änderung der Anti-Terror-Gesetze ist eine von fünf noch offenen Bedingungen, bevor die Visumpflicht für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum aufgehoben werden kann. Nach dem Willen der EU soll die Türkei die bislang recht weit gefasste Definition von Terrorismus umgestalten, damit die Gesetze tatsächlich der Verfolgung von Terroristen dienen - und nicht gegen politische Gegner oder unliebsame Journalisten missbraucht werden können. Der türkische EU-Minister Volkan Bozkir machte deutlich, dass die Gesetzgebung seiner Ansicht nach schon jetzt den europäischen Vorgaben genügt. Eine Änderung sei damit weder nötig noch akzeptabel, sagte Bozkir dem türkischen Sender NTV in Straßburg.

Europaparlamentarier sehen Ankara unter Zugzwang

Die Visafreiheit ist integraler Bestandteil des Flüchtlingspakts, in dem sich die Türkei zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland verpflichtet, und war bis Ende Juni angestrebt. Selbst für eine Verabschiedung der Novelle im Oktober müsse Ankara unverzüglich mit den Beratungen beginnen, sagte Schulz.

In Straßburg beriet das Europaparlament über die Fortschritte der Türkei bei der Erfüllung der insgesamt 72 Bedingungen für die Visafreiheit. Dabei machten sozialdemokratische, konservative und grüne Abgeordnete deutlich, dass sie nicht Brüssel, sondern Ankara unter Zugzwang sehen.

Quelle: n-tv.de

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