Alice Schwarzer, langjährige Ikone der Frauenrechtsbewegung, polarisierte in der Vergangenheit oft mit scharfer Kritik an dem Frauenbild des Islam. Bei Maischberger betonte sie jedoch, die Kölner Silvesternacht wäre eine Machtdemonstration Gleichgesinnter gewesen und nicht "der Muslim oder der Araber von nebenan". Das wäre rassistisch, so Schwarzer. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass von 2000 Männern aus diesem Kreis nicht jeder Zweite gesagt hätte: `Stopp`. Für mich lag sofort sehr nah, dass es bestimmte Muslime sind und dass sie sich verabredet haben." Männer, für die die Sharia über dem Gesetz stehe und die Frau unter dem Mann, so Schwarzer.
Simone Peter, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, stellte während der Diskussion klar, dass es Machos und Gewalttäter unabhängig von der Herkunft gebe. Zu den Tätern in Köln sagte sie: "Wobei ich es spannend fände, wie lange die schon da sind und ob sie Zugang zu Integrationsmöglichkeiten hatten. Das würde ich gern mal wissen."
"Das wäre interessant", pflichtete Schwarzer bei, "bestimmt nicht, bestimmt nicht".
"In Algier sind die Ereignisse von Köln Alltag"
Später in der Diskussion kam Samuel Schirmbeck, ehemaliger ARD-Korrespondent in Nordafrika, auf Peters` Frage zurück. "Entschuldigen Sie, warum muss man einen Integrationskurs machen, um zu verstehen, dass man eine Frau nicht so anmachen darf?"
Murat Kayman, Vorstand vom Türkisch-Islamischen Dachverband DITIB in NRW, vertrat die Meinung, die Ereignisse in Köln seien kein Exempel für muslimisches Verhalten, sondern ein Versagen der Sicherheitskräfte. "Wenn ich mich rüpelhaft verhalte, bin ich ein Rüpel, aber kein muslimischer Rüpel." Das Problem sei, so Kayman, dass man in Deutschland die sich überbietenden Horrorszenarien von Islamexperten betrachte statt das tatsächliche Leben der Muslime in Deutschland. "Im Diskurs um solche Themen tappen wir schnell in die Falle des Anklägers und des muslimischen Pflichtverteidigers."
Im weiteren Verlauf erzählte Schirmbeck, dass in Algier, wo er für die ARD Korrespondent war, die Probleme von Köln Alltag gewesen seien. "Was sexuelle Übergriffe angeht, habe ich in den ganzen 10 Jahren nicht eine einzige Frau getroffen, die keine Geschichte von sexuellen Übergriffen berichtete." Als mögliche Erklärung führte er an, dass im Islam Sex vor Schließung der Ehe verboten sei. "Stellen Sie sich die 14-jährigen Jungs vor, die frühestens mit 25 Jahren heiraten. Was die drauf haben an sexuellem Überdruck."
Wer ihm an dieser Stelle zustimmend zunickte, war Dominic Musa Schmitz, ein ehemaliger Salafist, der mit 17 zum Islam konvertierte. "Ich wollte unbedingt eine Frau haben. Ein Grund ist 100 Prozent der sexuelle Druck, den man hat", erzählt er. "Ich habe bis 17 ein ganz normales jugendliches Leben geführt, hatte Freundinnen und plötzlich habe ich das nicht mehr gehabt. Und es gab keine Form, mich mit meiner Sexualität und Bedürfnissen auseinanderzusetzen."
Gesittete Diskussion – keine AfD-Gäste
Schmitz ist ein Insider, der mit sehr erfrischender Klarheit sprach, jedoch in der Runde leider viel zu kurz kam. Er plädierte für Imame, die in den Moscheen Deutsch sprechen und somit auf Fragen ihres Publikums eingehen könnten. "Ich konnte nicht unterscheiden zwischen Islam und Salafismus. Ich habe gelernt, dass man ihn so interpretieren muss, wie er vor 1400 Jahren entstand. Ich hatte keine Möglichkeit zu hinterfragen."
Die Diskussion verlief größtenteils gesittet, was auch daran gelegen haben mag, dass keine Gäste von der AfD oder andere Populisten eingeladen wurden. In der zweiten Hälfte der Sendung jedoch wollte Alice Schwarzer unbedingt über DITIB, den Verein von Kayman, sprechen, der dafür kritisiert wird, in seinem Handeln "der verlängerte Arm von Erdogan" zu sein. Es folgte ein aufgeregter Schlagabtausch zwischen Schwarzer und Kayman, die Diskussion schwenkte über zu den von DITIB ausgebildeten Imamen, zu Erdogan und der zunehmenden Islamisierung der Türkei, dann zum deutschen Grundgesetz und der Frage nach Deutschpflicht in Moscheen.
Alice Schwarzer übernahm mehr und mehr die Rolle der Moderatorin und Schirmbeck warf Peter vor, ihre grüne Partei werde zur "grünen Partei des Islams". Irgendwann sprachen dann alle gleichzeitig und selbst Maischberger gab zu: "Wir haben es heute versucht. Es ist ein bisschen durcheinandergegangen." Trotzdem bleibt das Fazit: Heikles Thema mit angenehm differenzierten Gästen.
Quelle : welt.de
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