Paracetamol macht Menschen weniger einfühlsam

  13 Mai 2016    Gelesen: 1398
Paracetamol macht Menschen weniger einfühlsam
Millionen Menschen nehmen Paracetamol gegen Kopf- oder Zahnschmerzen. Doch das Medikament kann auch auf die Psyche wirken – und unempfindlich machen für den Schmerz anderer.
Sie liegen zuhauf in Nachtschränkchen und auf Schreibtischen: Kein Medikament nehmen die Deutschen so häufig wie Schmerzmittel. Und weil man Paracetamol ohne Rezept in der Apotheke kaufen kann, ist es für viele das Mittel der Wahl. Allerdings betäuben die Pillen nicht nur den Schmerz im eigenen Körper. US-Psychologen haben gerade herausgefunden, dass Paracetamol Menschen auch weniger empfindsam macht für den Schmerz, den andere fühlen.

Im Gehirn werden die gleichen Areale aktiviert, egal ob man selbst Schmerzen hat oder sich vorstellt, dass es anderen schlecht geht. Das haben Hirnscans bereits vor Jahren ergeben. Baldwin Way von der Ohio State University und Dominik Mischkowski vom National Institute of Health in den USA wollten deshalb wissen, ob Schmerzmittel auch die Fähigkeit beeinflussen, sich in andere hineinzuversetzen.

Für ihre Studie rekrutierten sie 80 College-Studenten. 40 von ihnen bekamen ein Getränk, das 1000 Milligramm Paracetamol enthielt, eine Dosis, die auch in Deutschland ohne Rezept zu haben ist. Die anderen 40 Studenten bekamen ein Getränk, das keinen Wirkstoff enthielt. Keiner der Probanden wusste, zu welcher Gruppe er gehörte.

Nach einer Stunde baten die Forscher die Studenten acht kurze Geschichten zu lesen, in denen jemand eine schmerzhafte Erfahrung machte: eine Schnittwunde etwa oder den Verlust eines geliebten Menschen. Die Studenten sollten auf einer Skala angeben, wie groß der Schmerz ihrer Ansicht nach sei, den die Person in der jeweiligen Geschichte empfand. So wie die Forscher vermutet hatten, bewerteten diejenigen, die Paracetamol genommen hatten, die Schmerzen als weniger schlimm als jene, die das wirkstofffreie Getränk bekommen hatten.

Weniger Trennungsschmerz

Als Nächstes überprüften sie das Ergebnis in einem zweiten Versuch. Sie teilten 115 weitere Studenten in zwei Gruppen, von denen wieder eine Paracetamol und die andere einen Placebo bekam. Alle Probanden hörten ein sehr lautes Geräusch. Sie sollten angeben, als wie unangenehm sie es empfanden, und sich dann vorstellen, als wie unangenehm andere es empfinden würden.

Auch hier zeigte sich: Unter dem Einfluss des Schmerzmittels kam den Studenten das Geräusch weniger schlimm vor. Und sie glaubten auch, dass es anderen so gehen würde. Zuletzt ließen die Forscher die Probanden eine Videospielsequenz ansehen, in der eine Person aus einem Team ausgeschlossen wurde. So überprüften sie, ob auch das Empfinden für eine sozial schmerzhafte Erfahrung eines anderen litt, wenn die Probanden das Schmerzmittel eingenommen hatten. Und auch mit dieser Vermutung lagen die Wissenschaftler richtig.

Paracetamol, resümieren sie im Journal "Social Cognitive and Affective Neuroscience", habe bisher wenig beachtete psychische Nebenwirkungen. "Es nimmt Menschen die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen." Und nicht nur das: Im vergangenen Jahr zeigte eine andere Studie, dass man sich unter dem Einfluss des Schmerzmittels auch leichter von Dingen trennt. Sogar vom eigenen Geld.

Quelle : welt.de

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