Laut eines Berichts der "New York Times" hat es vor den Winterspielen in Sotschi 2014 ein staatlich gestütztes Dopingsystem in Russland gegeben. Mehrere Dutzend russische Sportler, darunter mindestens 15 Medaillengewinner, sollen bei den Spielen am Schwarzen Meer gedopt an den Start gegangen sein. Kronzeuge der Zeitung ist Grigori Rodschenkow, jahrelang Leiter des Moskauer Kontrolllabors. Er war eine Schlüsselfigur im russischen Dopingsumpf und wird vom russischen Sportminister Witali Mutko nun sogar als hauptverantwortlicher Drahtzieher des Dopingsystems hingestellt.
In einem Interview mit der ARD stritt Mutko eine staatliche Beteiligung ab und versuchte die Manipulationen als Werk von Rodtschenkow darzustellen. "Er hat sehr viele Regeln gebrochen, und als das festgestellt wurde, hat man ihn gefeuert. Aber ich möchte Ihnen sagen, dass es für mich oder den Staat unmöglich ist, die Arbeit des Labors zu bewerten", sagte Mutko in einem Interview mit der ARD-Dopingredaktion. Der öffentlich-rechtliche Sender sprach bereits am 28. April mit Mutko und veröffentlichte das komplette Gespräch nun am Freitag in gleich drei Sprachen in voller Länge (zum Interview auf der ARD-Homepage).
Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), forderte ebenfalls harte Konsequenzen: "Die neuen Vorwürfe gegen Russland wegen staatlich gelenkter Dopingpraktiken sind erschreckend und ein Tiefschlag für die ganze olympische Bewegung. Die Wada muss sie schnellstmöglich und rückhaltlos aufklären."
Der 64-Jährige sprach von einem "Skandal", sollten russische Offizielle systematisch Dopingproben verfälscht haben. Das müsse Folgen haben: "Es geht darum, die Chancengleichheit für alle Athletinnen und Athleten zu wahren, und das insbesondere auch bei den bevorstehenden Spielen in Rio."
"300 Millionen Prozent Vertrauen"
Der Kreml in Moskau weist die neuen Doping-Vorwürfe vehement zurück. "Die Anschuldigungen sind absolut haltlos, entbehren jeder Grundlage und decken sich nicht mit verlässlichen Informationen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Die Dopingvorwürfe des Ex-Chefs des Moskauer Kontrolllabors, Grigori Rodschenkow, wirkten wie die "Verleumdung eines Deserteurs".
Auch die russischen Olympiasieger Alexander Subkow und Alexander Legkow beteuerten ihre Unschuld. "Dies ist eine Verleumdung der russischen Athleten und gegen mich besonders", sagte Subkow, Doppel-Olympiasieger im Bob, der Zeitung "Sport Express": "Ich habe an fünf Olympischen Spielen teilgenommen und drei Medaillen gewonnen. Jedes Mal habe ich Doping-Kontrollen absolviert. Und jetzt beschuldigt mich jemand."
Legkow, Goldmedaillengewinner in Sotschi über 50 Kilometer und Zweiter mit der russischen Langlaufstaffel, äußerte sich ähnlich und brachte sogar juristische Schritte ins Spiel. "Ich habe 300 Millionen Prozent Vertrauen in mich. Wo ist Rodtschenkow? In Miami, Los Angeles? Es ist sehr einfach, Quatsch zu reden, wenn man weit weg ist", sagte Legkow dem russischen Fernsehsender Match TV: "Ich denke, wir sollten ihn verklagen. Ich werde das mit meinem Management besprechen."
Auch Kenia auf der Kippe
Die wegen früherer Doping-Anschuldigungen suspendierten russischen Leichtathleten kämpfen derzeit um ihre Wiederaufnahme in den Weltverband Iaaf und ihren Start in Rio. Darüber will das Council der Iaaf Anfang Juni entscheiden. Auch Kenias Mannschaft droht für Rio die Rote Karte, nachdem die Wada das ostafrikanische Land als "nicht regelkonform mit dem Anti-Doping-Code" einstufte.
"Es wäre schade, wenn die großen Sportnationen Russland und Kenia in Rio nicht dabei wären. Aber es wäre noch schlimmer, wenn Manipulationen nicht konsequent bestraft würden", sagte Prokop.
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