Warten auf die Gesundheitskarte für Flüchtlinge

  15 Mai 2016    Gelesen: 582
Warten auf die Gesundheitskarte für Flüchtlinge
Viele Flüchtlinge brauchen für einen Arztbesuch einen Behandlungsschein vom Amt. Die Gesundheitskarte sollte das Verfahren vereinfachen, doch viele Kommunen sind dagegen.
Für die medizinische Versorgung von Asylbewerbern sind die Kommunen zuständig. Ohne Gesundheitskarte müssen Flüchtlinge im Krankheitsfall zuerst zum Sozialamt gehen und einen Behandlungsschein holen, der ihnen den Arztbesuch erlaubt. Mit der Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge würde dieser Gang zum Amt entfallen. Kommunen, die bereits eine Karte an Flüchtlinge ausgegeben haben, berichten von einer Arbeitserleichterung für ihre oft überfüllten Behörden.

Dennoch kommt die Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete nur sehr schleppend voran. Zu uneinig sind sich die zuständigen Bundesländer und Kommunen. Flächendeckend eingeführt ist die Krankenversichertenkarte für Asylbewerber bisher nur in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin sowie in Schleswig-Holstein. Einige andere Länder haben zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, ihre Kommunen setzen sie aber nicht um, wie eine Länderumfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Hauptgrund ist die Befürchtung höherer Kosten. 



Das Bundesland Bayern will von der Option zur Einführung der Karte keinen Gebrauch machen. Das derzeitige Versorgungssystem gewährleiste ein dem Gesetz entsprechendes Versorgungsniveau, erklärte das bayerische Staatsministerium für Soziales. Auch Sachsen plant keine Gesundheitskarte. Das Land hat zur medizinischen Betreuung der Asylsuchenden sogenannte Internationale Ambulanzen in Dresden, Leipzig und Chemnitz eingerichtet. Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland haben ebenfalls keine Gesundheitskarte. In Baden-Württemberg steht das Projekt nach Angaben des Sozialministeriums nicht im Koalitionsvertrag.
"Ein Erfolg, und zwar nicht nur aus humanitärer Sicht"



In Hamburg und Bremen dagegen bekommen Asylsuchende schon seit Jahren eine eigene Gesundheitskarte. Hamburg, wo die Karte 2012 eingeführt wurde, hat nach eigenen Angaben im ersten Jahr 1,6 Millionen Euro eingespart. "Die elektronische Gesundheitskarte bietet Geflüchteten einen diskriminierungsfreien Zugang zu ärztlicher Versorgung und sorgt zudem für einen Bürokratieabbau auf Seiten der Verwaltung", sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard von der SPD. Berlin hat das Projekt Anfang 2016 eingeführt und bisher mehr als 2.700 Gesundheitskarten ausgegeben. Schleswig-Holstein ist seit Januar ebenfalls dabei.


In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat die elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber dagegen akute Startschwierigkeiten. Alle drei Länder haben mit den Krankenkassen zwar entsprechende Rahmenvereinbarungen geschlossen, umgesetzt werden müssen die aber von den Kommunen – und in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zieht bislang keine einzige Kommune mit. In Nordrhein-Westfalen sind es von 396 Kommunen bislang nur 20, die meisten davon größere Städte. Die Kommunalverbände ärgern sich über hohe Zusatzkosten durch die Verwaltungspauschale von acht Prozent für die Krankenkassen. "Die Rahmenbedingungen sind derzeit so, dass nur einige Städte in Nordrhein-Westfalen davon Gebrauch machen", sagte der Vizegeschäftsführer des Städtetags NRW, Helmut Dedy.

Der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags, Hubert Meyer, riet von einem Beitritt zur Rahmenvereinbarung sogar ab: "Aus unserer Sicht klappt die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber bisher reibungslos." NRW-Sozialministerin Barbara Steffens von den Grünen hält dagegen. Jeder dritte Flüchtling in ihrem Land könne durch die Gesundheitskarte direkt medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. "Das ist ein Erfolg, und zwar nicht nur aus humanitärer Sicht", sagte sie.


Auch die übrigen Bundesländer sind noch in der Planungsphase. In Brandenburg wird weiter verhandelt, ebenso in Thüringen. In Hessen wurden Krankenkassen und Gebietskörperschaften zu einem Meinungsaustausch gebeten, erklärte das Sozialministerium. In Sachsen-Anhalt hat die neue Koalition aus CDU, SPD und Grünen ein eigenes Modell vereinbart, eine "Asylbewerberkarte", die im Notfall sofort einen Arztbesuch ermöglichen soll.

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