Licht am Ende des Tunnels: Die Phase der extremen Kursverluste bei gleichzeitiger hoher Volatilität der russischen Währung nähert sich ihrem Ende. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: die deutlich gesunkenen Auslandsschulden (so niedrig wie zuletzt 2011) und der sich stabilisierende Ölpreis. Schon wird spekuliert, wann die Zentralbank beginnen wird, mit Devisenkäufen gegenzuhalten.
Die gesamten russischen Auslandsschulden lagen mit 521,6 Mrd US-Dollar im dritten Quartal so niedrig wie zuletzt im April 2011. Auf den Staat entfallen davon lediglich 32 Mrd Dollar. Seit Juli 2014, zur Zeit der ersten Finanzsanktionen, sanken die gesamten Auslandsverbindlichkeiten um über 211 Mrd Dollar, also fast um ein Drittel. Zu dieser Entwicklung trugen auch die Sanktionen bei, in deren Folge Finanzierung aus dem Ausland teilweise durch Finanzierung aus den eigenen Reserven ersetzt wurde.
Entspannung am russischen Devisenmarkt
Ab jetzt sinken jedenfalls die quartalsweise anfallenden Zins- und Tilgungszahlungen – das verringert die Devisennachfrage zu den jeweiligen Zahlungsterminen. Die hatte in den zurückliegenden Monaten immer wieder zu erheblichen Kursschwankungen geführt.
In einer Mitteilung der Zentralbank zum erwarteten Devisenabfluss bis Jahresende 2015 heißt es: „Die Devisennachfrage zur Bedienung der Auslandssschulden wird sich im Rahmen halten. Es wird auch kein nennenswerter Abfluss von Finanzinvestitionen und keine Steigerung bei den Importverträgen erwartet.“
Auf Deutsch: Der Schuldendienst sinkt, die Portfolio-Investoren (außer denen mit den eisernen Nerven) haben ihre Aktien längst verkauft, und der Import bleibt so schwach, wie er ist.
Stabiler Exportüberschuss
Zur Entspannung am Binnenmarkt trägt auch die Tatsache bei, dass sich russische Unternehmen erstmals seit Ausbruch der Ukrainekrise in größerem Umfang am ausländischen Anleihenmarkt mit Kapital versorgen, jüngst etwa Norskij Nickel und Gasprom (je 1 Mrd Dollar). Die Online-Zeitung Gazeta.ru zitiert einen Sberbank-Analysten, der bis Ende 2015 weitere Anleihen russischer Gesellschaften im Umfang von insgesamt 2-3 Mrd Dollar erwartet.
Ein weiterer Faktor, der die Devisenversorgung erleichtert, ist die anhaltend positive Handelsbilanz. Laut Rosbank-Experten wird 2015 ein Exportüberschuss von 70-75 Mrd Dollar erwartet. Im dritten Quartal hat die Exportdynamik zwar leicht nachgelassen, andererseits ist aufgrund der insgesamt schwachern Wirtschaftslage auch kein nennenwerter Importanstieg zu erwarten.
Der Netto-Kapitalabfluss (fälschlich Kapitalflucht bezeichnet) wird von der Zentralbank für 2015 weiterhin mit 85 Mrd Dollar veranschlagt. Aufgrund der geschilderten Entwicklung im zweiten Halbjahr könnte die Zahl auch um einiges niedriger ausfallen.
Kampf gegen „schwarzes Öl“
Der Ölpreis, mit dem die russische Währung im längerfristigen Durchschnitt korreliert, entwickelt sich nach Ansicht von Beobachtern tendenziell eher aufwärts. Ein Grund dafür ist die sinkende Zahl der aktiven Bohrlöcher in den USA, wo vor allem die aufwendige Fracking-Methode zum Einsatz kommt. Bei wie derzeit längerfristig niedrigen Preisen rechnen sich viele der Projekte nicht mehr. Die jetzt bekanntgegebene Zahl von nurmehr 605 aktiven Bohrungen ist die geringste seit vier Jahren. Allerdings sind es vor allem kleine Vorhaben mit geringer Tagesleistung, die aufgegeben werden.
Zudem gibt es Informationen, wonach die russischen Luftstreitkräfte in Syrien unter anderem versuchen, den Export von „schwarzem Öl“ zu unterbinden. Dabei handelt es sich um Öl aus Bohrungen auf dem Territorium des „Islamischen Staats“ (IS), welches die Terroristen für weniger als die Hälfte des Marktpreises vor allem über die türkische Grenze verkaufen.
Im Moskau erinnert man sich bereits an das Frühjahr 2015, als der US-Dollar bei einem Ölpreis von um die 60 Dollar je Fass in der Gegend von 50-55 Rubel kostete. Bei dem Kursniveau kamen Stimmen auf, die vor einer Überbewertung warnten und das Großprojekt „Importsubstitution“ in Gefahr sahen. Auf die Frage, bei welchem Kurs die Zentralbank mit Stützungskäufen einschreiten würde, antwortet die oberste russische Währungshüterin, Elvira Nabiullina, seit mehreren Wochen ausweichend. Experten sehen einen solchen Schritt bei einem Kurs von unter 55 Rubel zum Dollar (derzeit rund 60) als möglich an. 2015 hat die Zentralbank erst zweimal, am 13. Mai und am 28. Juli, insgesamt 210 Mio Dollar aus Stützungsgründen gekauft.
Aus Sicht der Regierung ist ein schwacher Rubel attraktiv, weil er die Rubeleinnahmen des Haushalts aus der Exportsteuer steigen lässt.
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