Ankara stimmt für Aufhebung der Immunität

  20 Mai 2016    Gelesen: 679
Ankara stimmt für Aufhebung der Immunität
Allen Warnungen aus dem Ausland zum Trotz macht das türkische Parlament den Weg frei für die Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten. Die Entscheidung trifft vor allem Oppositionelle - oder all jene, die sich bei Staatschef Erdogan unbeliebt gemacht haben.
Das türkische Parlament hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt. Für den Vorstoß der islamisch-konservativen AKP stimmten in Ankara 373 der 550 Parlamentarier. Das berichtet das Parlamentsfernsehen.

Zuvor war es im Plenum zu einem Eklat gekommen. Parlamentarier der größten Oppositionspartei CHP verließen während der Debatte am Vormittag unter Protest vorübergehend den Saal, wie der Sender CNN Türk berichtete. "Die Türkei ist laizistisch und wird laizistisch bleiben", riefen sie.

Mit der Abstimmung ist der Weg für eine Verfassungsänderung frei, mit deren Hilfe die Immunität von 138 der 550 Abgeordneten aufgehoben werden kann. Der Schritt trifft vor allem die pro-kurdische Oppositionspartei HDP. 50 ihrer 59 Abgeordneten drohen nun Verfahren. Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Er hat ausdrücklich dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben. Kritiker werfen ihm vor, lediglich politische Gegner ausschalten zu wollen.

Warnungen vor "Selbstentmachtung"

Die HDP befürchtet nun die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt. Die 138 Abgeordneten, denen die Immunität entzogen wird, verteilen sich auf alle vier Parteien im Parlament: Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gehören 27 zur islamisch-konservativen AKP (317 Sitze), 51 zur Mitte-Links-Partei CHP (133 Sitze), 50 zur pro-kurdischen HDP (59 Sitze) und neun zur ultrarechten MHP (40 Sitze). Außerdem soll der einzigen parteilosen Abgeordneten die Immunität entzogen werden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, hatte das türkische Parlament vor der Abstimmung vor einer "Selbstentmachtung" gewarnt. Mit dem Vorhaben werde "ein weiterer Baustein einer demokratischen Entwicklung in der Türkei entfernt", so Mützenich im RBB. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte das Parlament in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" ebenfalls zum Widerstand gegen "autokratische Ambitionen" Erdogans aufgerufen.

Quelle: n-tv.de

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