Merkel wird am Sonntag zu einem Kurzbesuch in die Türkei reisen, um dort an einem UN-Nothilfegipfel in Istanbul teilzunehmen. Auch ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist geplant. Der Flüchtlingspakt der EU mit der Regierung in Ankara - den Merkel maßgeblich vorangetrieben hat - sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge, die illegal aus der Türkei auf griechische Inseln übersetzen, zurückgeschickt werden.
Fluchtgründe zum Teil ignoriert
Pro-Asyl-Mitarbeiter waren in den vergangenen Wochen sowohl in der Türkei als auch in Griechenland unterwegs, um sich ein Bild von der Umsetzung des Flüchtlingspakts zu machen. Die Organisation finanziert auch mehrere Rechtsanwälte in beiden Ländern, die sich um die Belange von Flüchtlingen kümmern sollen, und hat unter anderem zahlreiche Befragungsprotokolle von Asylsuchenden in Griechenland einsehen können, die später in die Türkei abgeschoben wurden.
Burkhardt beklagte mit Blick auf die Unterlagen, in Griechenland werde die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen nicht wirklich geprüft. Individuelle Fluchtgründe und persönliche Umstände würden zum Teil schlicht ignoriert. Außerdem hätten die Flüchtlinge so gut wie keine Möglichkeit, gegen eine Entscheidung der dortigen Behörden juristisch vorzugehen. "Das ist einfach nicht möglich, wenn wie auf Lesbos 3000 Flüchtlinge inhaftiert sind und es keine Anwälte für sie gibt." Es seien auch bereits 13 Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden, ohne dass ihre Asylanträge vorher überhaupt geprüft worden seien.
"Europa lässt sich einlullen"
In der Türkei würden viele Flüchtlinge dann wieder in Haftanstalten gesteckt, beklagte Burkhardt. Mehrere Betroffene hätten berichtet, dass sie dort zur "freiwilligen" Ausreise in ihre Heimat gezwungen worden seien - mit der Drohung, dass sie andernfalls monatelang in Haft bleiben müssten. "Die Türkei missachtet die Menschenrechte von Flüchtlingen", kritisierte er. "Europa lässt sich einlullen von Aussagen der Türkei, dass alles rechtsstaatlich abläuft." Mit Pro-Forma-Verfahren werde kaschiert, dass großes Unrecht geschehe.
Pro Asyl habe die Bundesregierung bereits mehrfach über Missstände und mehrere brisante Einzelfälle informiert, sagte Burkhardt. Allerdings sei das folgenlos geblieben. "Man hat den Eindruck, dass Europa die Augen verschließt - auch die Bundeskanzlerin." In Deutschland schwinde generell die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema, seitdem die Flüchtlingszahlen hier nach unten gegangen seien. "Wenn es so weitergeht mit diesem Deal, dann wird das individuelle Recht auf Asyl in ganz Europa ausgehebelt", mahnte er. "Dann gibt es kein individuelles Asylrecht mehr, sondern nur noch die Aufnahme weniger ausgesuchter Flüchtlinge."
Quelle: n-tv.de
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