Elektromobilität, cool inszeniert

  22 Mai 2016    Gelesen: 1043
Elektromobilität, cool inszeniert
Strom statt Benzin, Citykurs statt Rundstrecke: Die Rennserie Formel E will Motorsport, Volksfest und Versuchslabor sein. Ein schwieriger Spagat
Die Neuzeit des Motorsports kommt ohne Hör- oder Atemwegsschäden aus. Das hysterische Kreischen eines hochdrehenden Verbrennungsmotors ist bei der Formel E tabu. Geräusche machen die elektrischen Rennwagen trotzdem: Als sie auf der Berliner Karl-Marx-Allee hart beschleunigen, ertönt eine Mischung aus quietschenden Reifen, jaulendem Getriebe und einem bisher unbekannten Siiiiaum. Ohrstöpsel brauchen die Menschen auf den Tribünen aber nicht. Und die Anwohner auf den voll besetzten Balkonen können tief Luft holen. Die sechsspurige Straße ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt – damit der ePrix von Deutschland ausgetragen werden kann. Ergibt das irgendeinen Sinn?

Ja, sagt Alex Tai, der Teamchef von DS Virgin Racing, in einer Lounge am Streckenrand. Er ist eigentlich das, was die Briten einen Petrolhead nennen, einen Benzinkopf, also einen, der vernarrt in Kolben und Zündkerzen ist. Jetzt erklärt Tai den Journalisten, was das Tolle an der Formel E ist: Anders als in der überreglementierten und extrem teuren Formel 1 seien echte Fortschritte sichtbar. Die Rennserie ist erst in der zweiten Saison und sie macht offensichtlich Spaß. Tai ist überzeugt, dass wir über Verbrennungsmotoren irgendwann so denken werden wie über das Rauchen in Restaurants – wir werden uns fragen, warum wir das so lange ausgehalten haben.

Alle zehn Teams benutzen das gleiche Chassis. Optisch lassen sich die Autos mit den freistehenden Rädern nur durch Lackierung und Sponsorenaufkleber unterscheiden. Auch die Batterien sind gleich und haben eine abrufbare Kapazität von 28 Kilowattstunden. Das Managementsystem der Wagen, das per Software über eine Funkverbindung gesteuert wird, gibt im Rennen eine einheitliche Leistung von 170 Kilowatt (231 PS) und während des Qualifyings 200 Kilowatt (272 PS) frei.

Effizienz ist wichtiger als Höchstleistung

In der Hand der Entwickler ist dagegen alles, was nach der Batterie kommt. So arbeitet DS Virgin Racing mit jeweils einem Elektromotor pro Hinterrad. Das würde eine perfekte elektronische Verteilung der Kräfte erlauben – wenn das Reglement der Fédération Internationale de l`Automobile (Fia) dem Team nicht noch ein schweres mechanisches Differential aufgebrummt hätte. Manche Konkurrenten haben nur eine E-Maschine, andere experimentieren mit zwei oder mehr Gängen und wie jedes ganz normale Elektroauto gewinnen die Flitzer der Formel E beim Bremsen einen Teil der Energie zurück.

Am Ende geht es um Effizienz, um den gekonnten Einsatz der raren Energie in den Batteriezellen. Manchem mag es als Witz oder Inszenierung erscheinen, aber nein, nach der Hälfte der 48 Runden von je 1.927 Metern Länge steuern die Fahrer die Box an. Sie springen in ein zweites Auto mit vollgeladener Batterie, um den Rest bewältigen zu können. Zehn Teams mit je zwei Fahrern haben also zusammen 40 Autos. Von 2019 an sollen die Speicher genug Energie haben, um dieses Schauspiel zu überwinden.

Warum das ganze Bohei um jede Kilowattstunde? Unter anderem für die Verbesserung der Serienautos, argumentiert Alex Tai von DS Virgin Racing. Und tatsächlich zeigt DS – neben Citroën und Peugeot die dritte Marke des französischen Konzerns PSA – am Rande der Veranstaltung mit der Studie DS E-Tense einen spannenden Ausblick in die nahe Zukunft des Antriebsstrangs.

Der Wagen ist Ästhetik pur, ein sportliches Coupé, und er ist nicht nur gemacht, um angeguckt zu werden. Er fährt, und wie. 294 kW (400 PS) leisten die zwei Motoren, die ihre Kraft über drei Gänge auf die Hinterräder übertragen. So sieht also das Rezept aus, um jene Kunden ins Autohaus zu locken, denen ein Kombi mit Dieselmotor schlicht zuwider ist. Zu kaufen gibt es den luxuriösen E-Tense in dieser Form wohl niemals, aber er zeigt eine Perspektive auf für ein Produkt von DS, das Strom und Design verbindet.

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