Ein autoritäres Angebot

  28 Mai 2016    Gelesen: 588
Ein autoritäres Angebot
Bislang glaubte man, die liberale Gesellschaft sei der Sieger der Weltgeschichte. Warum eigentlich? Der Aufstieg rechter Politiker zeigt: Sie könnte ebenso gut wieder verschwinden.
Noch zwei, drei Wahlen, so schrieb kürzlich die amerikanische Historikerin Anne Applebaum, und das Ende des Westens rücke in greifbare Nähe. Falls Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt würde, werde er Amerika isolieren. Und falls es der Europäischen Union nicht gelinge, den Aufstieg der Rechten abzuwenden, breche das europäische Haus auseinander. Was ist dann noch der Westen? Was bleibt von seinem politischen Herzstück, der aufgeklärten, liberalen Gesellschaft?

Anne Applebaums Befürchtungen klingen alarmistisch, doch der Beinahe-Erfolg des rechten Kandidaten Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich bestätigt sie. Ist Österreich, mit einem Wort des Dichters Friedrich Hebbel, jene "kleine Welt, in der die große ihre Probe hält"?

Das Stück, das dort einstudiert werden sollte, hieß "Abwicklung der liberalen Gesellschaft", doch geprobt wird dafür nicht nur in Wien. So wollte die New York Times dieser Tage wissen, ob mit Donald Trump die Tyrannei schon vor der Tür stehe, und der Publizist Andrew Sullivan fühlte sich in einem viel diskutierten New York Magazine-Artikel an Platons Warnung erinnert, wonach die Demokratie an ihrer eigenen Freiheit zugrunde gehe und ihren eigenen Totengräber wähle. Kurzum: Was bedeutet der Aufstieg rechter Politiker? Beginnt, ein Vierteljahrhundert nach dem Untergang des Kommunismus, der Zerfallsprozess des westlichen Gesellschaftsmodells? Beginnt der Niedergang des Liberalismus, der scheinbar unbesiegbaren Verbindung aus Demokratie und Kapitalismus?

Politiker und Zeitgeistbeobachter geben sich fassungslos angesichts des Erfolgs der Rechten, dabei ist ihr Aufstieg schon lange vorausgesagt worden. Der Soziologe Ralf Dahrendorf prophezeite schon in den neunziger Jahren, die Globalisierung werde "eher autoritären als demokratischen Verfassungen Vorschub leisten" und "Probleme schaffen, denen mit normalen demokratischen Methoden abzuhelfen schwierig" sei. Auch Wilhelm Heitmeyers Studien lesen sich so, als seien sie eben erst entstanden. Tatsächlich sind die neuen Autoritären keine Aliens, sie kommen nicht von einem anderen Stern, sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Was sie verbindet, ist die Überzeugung, dass die liberalen Methoden zum alten Eisen gehören. Deshalb machen sie ein Angebot, das viele nicht ablehnen können.

Zum Beispiel Donald Trump. Sein Erfolg, so heißt es oft, verdanke sich seinem Patriotismus, er gebe den Menschen "ein Stück Identität" zurück. Das ist weder ganz falsch noch ganz richtig. Viel entscheidender ist, dass Trump, die Epiphanie des Kapitals, sich auf die Seite der arbeitenden Klasse schlägt und Amerikas verlorene Seelen einsammelt. Der Multimilliardär wirbt um diejenigen, denen die Zukunft den Schlaf raubt – und natürlich um die Bürger, denen die Regierung zu liberal und die moderne Gesellschaft zu kompliziert ist. Wirtschaftsliberale Phrasen kommen ihm so schnell nicht über die Lippen. Er sagt nicht: "Ändere dein Leben, und kämpf dich nach oben." Stattdessen sagt er: "Bleib so, wie du bist. Du musst kein Opfer mehr bringen, ich respektiere dich auch so."

Bislang klang das völlig anders, bislang machte die politische Standardrhetorik dem Wähler zwecks Steigerung seiner Leistungsmoral erst einmal ein schlechtes Gewissen. "Frag nicht, was der Staat für dich tun kann, frag, was du für den Staat tun kannst." Trump dreht den Spieß um. Er holt die Vergangenheit zurück, er schmeichelt all jenen, die von Amerikas Goldenem Zeitalter träumen, als die Welt stabil war und man noch nicht mehrere Jobs brauchte, um über die Runden zu kommen. Als Präsident werde er den Chef von Ford anrufen und ihm drohen, jedes amerikanische Auto, das er in Mexiko baue, zu besteuern. "Und wisst ihr was? Er wird 24 Stunden später angekrochen kommen und mir sagen, er werde das Werk wieder nach Detroit bringen. So einfach ist das."

Hillary Clinton, so lautet der Vorwurf von rechts bis links, sei die Frau der Feinsinnigen und Arrivierten. Sie mache Politik für Globalisierungsgewinner, für Menschen, die BMW fahren und Jazzmusik toll finden. Trump dagegen umgarnt jene, die lieber ein Steak in der Hand halten als ein Saxofon. Menschen, die alles Kosmopolitische verachten, weil sie es unwillkürlich mit Globalisierung in Verbindung bringen – also mit Firmenverlagerungen, Billigimporten, Arbeitslosigkeit. Für solche Menschen hat Trump eine untrügliche Witterung, und deshalb kündigt er den Elitenkonsens auf, wonach die Globalisierung ein Glück für Amerika sei. Er ist der Angstaustreiber und Wutableiter, seine Wahlkampf-Auftritte sind Erlösungsveranstaltungen. Trump: "Es ist Wut im Land."

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