Gemeinsame Verteidigung: Europas Konservative provozieren Briten mit Armeeplänen

  31 Mai 2016    Gelesen: 534
Gemeinsame Verteidigung: Europas Konservative provozieren Briten mit Armeeplänen
Eigentlich sollten größere Projekte in Brüssel bis zum Brexit-Referendum ruhen. Doch nun wird über EU-Kampfgruppen und einen eigenen Verteidigungskommissar diskutiert - die Briten sind alarmiert.
Am 23. Juni stimmen die Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU ab, größere politische Aufschläge aus Brüssel haben bis nach dem Referendum zu warten. Alles andere, so die Theorie, könnte die Briten aus der Union treiben. Die Konservativen im Europaparlament wollen darauf aber offenbar keine Rücksicht nehmen.

Die größte Fraktion, die Europäische Volkspartei, will die militärische Zusammenarbeit unter den EU-Mitgliedern deutlich ausweiten. "Wir fordern die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in diesem Gebiet und die Ernennung eines Europäischen Kommissars für Verteidigung", heißt es in einem Positionspapier, das die Fraktion bei ihrer Klausur in Nizza ab Mittwoch diskutieren will.

In dem Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, fordern die Konservativen eine "echte Europäische Verteidigungspolitik, die ein permanentes Hauptquartier und EU-Kampfgruppen (`EU Battle Corps`) nach sich zieht".

Die Diskussion kommt zur Unzeit. Denn alles, was nach der Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Armee klingt, ist eine willkommene Vorlage für die Brexit-Freunde in der britischen Boulevardpresse.

Der EVP-Fraktion gehören 216 Parlamentarier an, darunter auch die von CDU und CSU aus Deutschland. Die Tory-Partei des britischen Premierministers David Cameron gehört nicht dazu.

Offiziell hält sich Brüssel noch an die selbst auferlegte Zurückhaltung in Sachen Referendum. Doch spätestens seit der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson in einem Interview der EU vorgeworfen hatte, sie strebe einen europäischen Superstaat wie Hitler an, wackelt das Schweigegelübde. Jede Unverschämtheit, so die Meinung in der EU-Hauptstadt, müsse man sich von den Brexit-Befürwortern ja auch nicht anhören.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber, der auch stellvertretender CSU-Chef ist, gilt als Anhänger einer harten Linie gegenüber Großbritannien. Er will sich aus dem Wahlkampf zum Referendum zwar weitgehend heraushalten, lehnt aber große Zugeständnisse für den Fall ab, dass sich die Briten zum Ausstieg entschließen sollten. Umgekehrt ist Weber einer der Schlüsselleute, sollten die Briten in der EU bleiben. Er wäre dann gefordert, im Parlament dafür zu sorgen, dass die von Cameron im Februar ausgehandelten Zugeständnisse für Großbritannien, vor allem bei den Sozialleistungen für EU-Ausländer, eine Mehrheit finden.

Genutzt hat all die Vorsicht nichts

Die EU hatte in den vergangenen Tagen bereits Erfahrungen gemacht, wie heikel Debatten in der Außen- und Sicherheitspolitik vor dem britischen Referendum sein können. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini hat eine sogenannte Global Strategy erarbeitet, das erste Grundlagenpapier zur Außen- und Sicherheitspolitik der Europäer seit 2003. Nach allem, was zu hören ist, enthält das Papier ähnliche Überlegungen wie die der EVP, allerdings ausdrücklich keine Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Armee. Trotzdem wurde Mogherini dazu verdonnert, ihr Papier erst nach dem britischen Referendum zu präsentieren.

Genutzt hat all die Vorsicht nichts. Die britische Presse mutmaßte, so viel Heimlichtuerei habe einen Grund und berichtete von Überlegungen, die in Richtung europäischer Armee gehen. Der Aufruhr auf der Insel war entsprechend, die Kommission sah sich zu einem Dementi genötigt. Mit gutem Grund: Ausgerechnet Behördenchef Jean-Claude Juncker hatte aus seiner Unterstützung für die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee nie einen Hehl gemacht.

Immerhin, einen Trost haben die EVP-Leute für die Briten. In letzter Minute soll in das EVP-Papier offenbar noch ein Passus aufgenommen werden, in dem die Konservativen den Sonderstatus der Briten innerhalb der EU akzeptieren. Zudem erklären sie sich bereit, den Deal, den Cameron Mitte Februar mit den Staats- und Regierungschefs ausgehandelt hat, umzusetzen. Ursprünglich, so heißt es, sei dieser Passus vergessen worden.

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