Obama verzögert Abzug von US-Militär aus Afghanistan

  16 Oktober 2015    Gelesen: 667
Obama verzögert Abzug von US-Militär aus Afghanistan
US-Präsident Barack Obama hat Konsequenzen aus der prekären Sicherheitslage in Afghanistan gezogen: Er kündigte einen langsameren Abzug der US-Truppen an, mehr als 5000 Soldaten sollen über 2016 hinaus am Hindukusch stationiert bleiben. Die afghanischen Sicherheitskräfte seien "noch nicht so stark wie sie sein müssen", sagte der Präsident, der den längsten Militäreinsatz der US-Geschichte damit seinem Nachfolger vererbt.
Bis zum Ende von Obamas Amtszeit Anfang 2017 hätte die Truppenstärke nach den bisherigen Plänen eigentlich auf rund tausend Soldaten schrumpfen sollen, die vor allem die US-Botschaft in Kabul schützen sollten. Nun werde die aktuelle Präsenz von 9800 US-Soldaten "den Großteil des nächsten Jahres" beibehalten, erklärte Obama. Anschließend würden etwa 5500 US-Soldaten in Afghanistan im Einsatz sein, unter anderem auf der Luftwaffenbasis Bagram sowie auf Stützpunkten in Dschalalabad im Osten und Kandahar im Süden des Landes.

"Diese bescheidene, aber bedeutende Verlängerung unserer Präsenz (...) kann einen echten Unterschied ausmachen", sagte Obama. An der Mission werde sich dagegen nichts ändern. Die US-Einheiten würden "zwei begrenzte Aufgaben" erfüllen: den Kampf gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida sowie die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte.
Zum Jahreswechsel war der Nato-geführte Kampfeinsatz in Afghanistan nach 13 Jahren zu Ende gegangen. Die Folgemission "Resolute Support" legt den Schwerpunkt auf die Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee und Polizei, die für die Sicherheit im Land nun selbst verantwortlich sind. Insgesamt sind noch etwa 13.000 Nato-Soldaten in Afghanistan, darunter bis zu 850 deutsche Soldaten.

Die Sicherheitslage verschlechterte sich zuletzt allerdings zusehends. Vergangenen Monat nahmen die radikalislamischen Taliban in einer Blitzoffensive das nordafghanische Kundus ein. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst nach mehreren Tagen mit internationaler Unterstützung zurückerobern.

Obama hatte vor seinem Amtsantritt Anfang 2009 versprochen, den von seinem Vorgänger George W. Bush geerbten Militäreinsatz am Hindukusch zu beenden. Nun wird der Präsident das Afghanistan-Dossier auch seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin hinterlassen. Seit Beginn des Einsatzes nach den Anschlägen vom 11. September 2001, als die damals in Kabul herrschenden Taliban die Auslieferung der Al-Kaida-Führung verweigerten, sind mehr als 2000 US-Soldaten getötet worden.

Der US-Präsident erklärte, die Verlängerung des Einsatzes sei für ihn "keine Enttäuschung". Sein Ansatz sei immer gewesen, die Lage vor Ort zu bewerten und, wenn nötig, Änderungen an seiner Afghanistan-Politik vorzunehmen. "Das ist nicht das erste Mal, dass diese Änderungen gemacht wurden. Das wird wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein", sagte er.

Obama machte deutlich, dass "unsere Nato-Verbündeten und Partner" weiter eine "unverzichtbare Rolle" beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte spielen könnten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte, dass die Vereinigten Staaten über 2016 hinaus eine "substanzielle Präsenz" am Hindukusch beibehalten würden. Die "wichtige Entscheidung" ebne den Weg für ein "anhaltendes" Nato-Engagement, erklärte Stoltenberg in Brüssel.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) teilte in Berlin mit, dass sich auch Deutschland weiter engagieren werde. "Wir haben in den letzten Wochen bereits dafür geworben, unser Engagement bei Ausbildung und beruflicher Bildung in Afghanistan nicht an feste Zeitlinien zu binden, sondern wichtige Entscheidungen von den Entwicklungen vor Ort abhängig zu machen", erklärte er. "Dafür bildet die Entscheidung der USA eine gute Grundlage."

Die Taliban zeigten sich derweil entschlossen, den Kampf gegen die ausländischen Truppen fortzusetzen. "Unser Dschihad wird weitergehen, bis der letzte Besatzer vertrieben ist", sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid.

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