Dieses Waffenarsenal sollte die Fußball-EM sprengen

  07 Juni 2016    Gelesen: 627
Dieses Waffenarsenal sollte die Fußball-EM sprengen
Ein Franzose soll während der Fußball-EM Anschläge auf Moscheen geplant haben. Der ukrainische Geheimdienst nimmt ihn fest - mit über 100 Kilogramm Sprengstoff, Kalaschnikows und Panzerfäusten.
Wasyl Hryzak, Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU, war der Stolz anzumerken: "Erstmals in der Geschichte der Ukraine" habe seine Behörde eine große Terroraktion auf dem Boden der EU verhindert. "Dieser Fall wird vor Gericht kommen", sagte er am Montag auf einer Pressekonferenz in Kiew, es gebe hervorragende Aussichten, ihn erfolgreich abzuschließen.

Seine Worte betrafen die Festnahme eines Franzosen bei der Ausreise aus der Ukraine nach Polen. Der verdächtige Grégoire M., der Waffen und Sprengstoff in seinem Auto mit sich führte, soll 15 Anschläge vor und während der Fußball-EM in Frankreich geplant haben.

Zu den Details sagte Hryzak: "Ziele des Anschlags sollten sein – es klingt merkwürdig, aber es ist dokumentiert: eine Moschee, eine Synagoge, ein Finanzamt, Einrichtungen, von denen aus die Autobahnen beobachtet werden, und andere. Sie können sich vorstellen, welche menschlichen Opfer das am Vorabend der Fußball-EM hätte bringen können." Der Verdächtige sei jetzt in Untersuchungshaft.

Dann wurde in der von einem Fernsehsender übertragenen Pressekonferenz auch ein Video vorgeführt, das Hryzak kommentierte. Es wurde offenbar mit zwei versteckten Kameras aufgenommen und zeigt einen Mann, der in einem Raum offenbar Sprengstoff und anderes verpackt und zu einem Fahrzeug in einer Garage bringt.

Protest gegen die Verbreitung des Islam

Das Motiv des Verdächtigen soll der Protest gegen den Zuzug von Ausländern nach Frankreich und die Verbreitung des Islam sein. Neben mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff habe er sich auch Panzerfäuste, fünf Kalaschnikows, mehr als 5000 Schuss Munition, 100 Zünder und 20 Sturmhauben beschafft, sagte Hryzak.

Der Franzose ist demnach im vorigen Dezember in die Ukraine gekommen und hat im Osten des Landes als "freiwilliger Helfer" Kontakt zu militärischen Einheiten aufgenommen. Offenbar ist er schon lange vor seiner Festnahme am 21. Mai ins Visier der ukrainischen Sicherheitskräfte geraten, die von seinen Waffenkäufen Kenntnis erhielten.

"Wir begannen, an die Ernsthaftigkeit der Pläne zu glauben, als der Mann eine Anzahlung leistete. Erst mehrere Zehntausend Euro, dann nochmals mehrere Zehntausend Euro. Die russische Spur tauchte erst ganz am Ende auf, als der Mann weitere Zehntausende Euro anbot für die Leistung, dass ein Ukrainer die Ladung zur Grenze fahren würde." Da dieser Plan nicht verwirklicht wurde, fuhr der Franzose den Wagen am Ende selbst.

Eine solche Aktion mit einem Ukrainer als "Komplizen" hätte die Ukraine als Staat diskreditieren sollen. "Deshalb glauben wir, das kann eine Provokation der russischen Geheimdienste sein." Ein solches Vorgehen würde etwa den Aktionen des früheren Geheimdienstes KGB entsprechen, mit sogenannten "aktiven Maßnahmen" und Desinformation einen Gegner – in diesem Falle die Ukraine – international in Verruf zu bringen.

Polnisch-ukrainische Grenze ist neuralgischer Punkt

Im weiteren Verlauf des Videos wurde die Szene der Festnahme gezeigt: Angehörige einer SBU-Spezialeinheit in Kampfanzügen reißen am Grenzübergang die Tür des Fahrzeugs auf und zerren den Verdächtigen heraus. Anschließend wird das bemerkenswerte Arsenal des Verdächtigen vorgeführt.

Die polnisch-ukrainische Grenze, zugleich EU-Außengrenze, gilt als heikler Punkt in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit: Vor allem die ukrainische Seite kämpft seit Langem darum, die Korruption unter ihren Grenzschützern einzudämmen. In letzter Zeit scheint es dort verstärkte Kontrollen zu geben. So berichteten Reisende vor einer Woche, ihr während der Nacht von der Ukraine nach Polen fahrender Bus habe vier Stunden an der Grenze gestanden. Das habe vor allem an einer sehr gründlichen Fahrzeugkontrolle durch die Polen gelegen.

Als Motiv soll Grégoire M. angegeben haben, die französische Regierungspolitik abzulehnen, vor allem den "massiven Zuzug von Ausländern nach Frankreich, die Verbreitung des Islam und die Globalisierung". Deshalb habe er Attentate auf Moscheen, Synagogen, Steuerbehörden und Autobahnen geplant. Bei einer Durchsuchung des Bauernhauses von Grégoire M. im ostfranzösischen Nant-le-Petit sollen französische Ermittler ein T-Shirt mit dem Motiv einer rechtsradikalen Gruppe sowie Sprengstoff gefunden haben.

Dominique Pensalfini-Demorise, die Bürgermeisterin des 80 Kilometer westlich von Nancy gelegenen 80-Seelen-Dorfs, beschrieb Grégoire M. gegenüber der Nachrichtenagentur AFP als sympathischen und intelligenten jungen Mann, der gegenüber den Nachbarn stets freundlich und hilfsbereit gewesen sei.

Geheimdienst und Polizei kannten den Verdächtigen nicht

Der Terrorverdächtige soll als Besamungstechniker im Elsass bei einer Landwirtschaftskooperative gearbeitet haben und weder dem französischen Geheimdienst noch der Polizei in Frankreich bekannt gewesen sein. Er habe das Nutzfahrzeug seines Chefs gestohlen und sei damit in die Ukraine gefahren, berichten französische Medien.

Die Zentralstelle zur Bekämpfung organisierter Kriminalität der Polizei von Nancy hat inzwischen eigene Ermittlungen eingeleitet. Die französischen Behörden hätten einen Antrag auf internationale Rechtshilfe gestellt, bisher jedoch aus der Ukraine noch keine Unterlagen erhalten, berichten französische Medien. Sie seien erstaunt, dass der ukrainische Geheimdienst Informationen über Grégoire M. nur tröpfchenweise bekannt gebe und nichts dazu sage, wo der Franzose gefangen gehalten werde.

Man habe die Festnahme nicht vor der EM bekannt geben wollen, sei jedoch nach entsprechenden Enthüllungen in den Medien dazu gezwungen gewesen, heißt es seitens der Ukraine. Der französische Fernsehsender M6 hatte Freitagabend berichtet, dass ein Franzose an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen mit vielen Waffen festgenommen worden sei.

Patrick Calvar, der Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI, hatte am 10. Mai bei einer Anhörung in der Nationalversammlung auch vor rechtsextremen Gruppierungen gewarnt. "Europa ist in großer Gefahr: Die Extremisten nehmen überall zu, und wir, die Inlandsgeheimdienste, sind dabei, unsere Ressourcen umzuschichten, um uns für die Ultrarechte zu interessieren, die nur auf die Konfrontation wartet", sagte er. Seine Behörde nehme diese Bedrohung sehr ernst.

"Wir wissen, dass sie neue Anschläge planen"

Frankreichs Staatspräsident François Hollande sprach am Sonntag gegenüber dem Radiosender France Inter von der Terrorbedrohung während der EM. "Sie existiert, die Bedrohung", sagte er. Sie werde noch lange anhalten, und deshalb müsse alles getan werden, damit die EM zu einem Erfolg werde. Das französische Parlament hat erst Ende Mai einer weiteren Verlängerung des Ausnahmezustandes bis Ende Juli zugestimmt, um die Sicherheit während der Fußball-EM und der Tour de France zu gewährleisten. Frankreich ist nach Angaben von Inlandsgeheimdienst-Chef Patrick Calvar europaweit das am stärksten durch den Islamischen Staat (IS) gefährdete Land: "Wir wissen, dass sie neue Anschläge planen."

Seine Behörde soll nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Le Point" bei der Überprüfung der 3500 Mitarbeiter der privaten Sicherheitsdienste, die für die Fußball-EM engagiert worden sind, festgestellt haben, dass 82 von ihnen auf der sogenannten S-Liste geführt werden. Auf dieser Liste sind Personen vermerkt, von denen eine Gefahr für die Staatssicherheit ausgehen könnte, weil sie dem radikalen Islam oder gewaltbereiten links- und rechtsextremistischen Gruppen nahestehen.

Das amerikanische Außenministerium hat US-Bürger erst in der vergangenen Woche von Reisen nach Europa in diesem Sommer wegen der Gefahr terroristischer Attentate abgeraten. Ziele könnten Großveranstaltungen, touristische Attraktionen, Restaurants, Geschäftszentren und das Verkehrswesen sein, erklärte das Außenministerium in Washington. "Die hohe Anzahl von Touristen, die Europa in den Sommermonaten besuchen, liefert Terroristen, die Anschläge an öffentlichen Orten planen, größere Ziele, besonders bei großen Ereignissen." Die Reisewarnung der USA gilt bis zum 31. August.

Quelle : welt.de

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