Langzeitarbeitslose profitieren kaum vom Jobwunder

  10 Juni 2016    Gelesen: 765
Langzeitarbeitslose profitieren kaum vom Jobwunder
Wer länger als ein Jahr ohne Arbeit, über 55 Jahre alt und gering qualifiziert ist, hat es schwer. Trotz guter Wirtschaftslage finden diese Menschen kaum einen Job.
Obwohl in Deutschland noch nie so wenige Menschen ohne Arbeit waren, haben Langzeitarbeitslose einer Studie zufolge wenig von der guten Wirtschaftslage. Zwar ist der Anteil der langfristig Erwerbslosen nirgendwo in der EU so deutlich gesunken wie in der Bundesrepublik, wie eine Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Die Langzeitarbeitslosenquote sank demnach hierzulande von 3,7 im Krisenjahr 2008 auf 1,9 Prozent 2015. Die Quote sei aber seit 2012 vor allem zurückgegangen, weil die Beschäftigung in Deutschland insgesamt zugenommen hat.

Tatsächlich halte sich Langzeitarbeitslosigkeit hartnäckig: Mehr als 43 Prozent aller Arbeitslosen in Deutschland suchen schon länger als ein Jahr nach einem neuen Job, knapp ein Drittel ist sogar mehr als zwei Jahre arbeitslos. Vergleichsweise häufig sind Menschen über 55 Jahren oder mit geringer Qualifizierung von langer Erwerbslosigkeit betroffen.

Für die Studie haben die Experten Arbeitslosenstatistiken der 28 Mitgliedsstaaten ausgewertet, um mehr über Ausmaß und Ursachen herauszufinden. Demnach waren 2015 EU-weit mehr als 10 Millionen Menschen länger als 12 Monate arbeitslos. Das entspricht 4,3 Prozent aller Erwerbsfähigen.

Älter und ohne Abschluss

Den höchsten Anteil an der Erwerbsbevölkerung hatten Langzeitarbeitslose 2015 in Griechenland (17,7 Prozent), gefolgt von Spanien (10,8 Prozent) und Kroatien (10,4 Prozent). Dass auch der seit einigen Jahren einsetzende Aufschwung für Langzeitarbeitslosigkeit keine Besserung brachte, liegt nach Einschätzung der Autoren am generellen Wandel in der Arbeitswelt: Manche Branchen, etwa in Industrie und Bausektor, traf die Krise mit besonderer Wucht. Den dort Entlassenen falle es mit ihren spezifischen Berufsprofilen oft schwer, in wachsende Felder wie etwa den Gesundheitssektor zu wechseln. Ein Trend zur Höherqualifikation erschwere die Lage.

Das gilt besonders für Deutschland, wo es besonders Geringqualifizierte und Ältere sind, die ein Jahr und länger in der Arbeitslosigkeit feststecken. So hat jeder dritte Langzeitarbeitslose keinen Berufsabschluss. 26 Prozent sind älter als 55 Jahre, der EU-Schnitt liegt in dieser Altersgruppe bei 13 Prozent.

Torsten Lietzmann, Experte des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg, bestätigt in weiten Teilen das Ergebnis der Bertelsmann-Studie. "Ein Problem ist auch, dass die Gruppe der Langzeitarbeitlosen sehr heterogen ist", sagt Lietzmann. "Die Arbeitsvermittler müssen schon sehr genau hinschauen, um für die sehr unterschiedlichen Fälle Lösungen anbieten zu können." Wer aber nur etwas länger als ein Jahr suche, sei noch viel näher dran am Arbeitsmarkt als jemand, der bereits seit vier Jahren ohne Job sei.
Auch Aart De Geus, der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, sagt: "Jobverlust im Alter wird in Deutschland zunehmend zu einer Falle, aus der sich die Betroffenen nicht befreien können." Für den schwer vermittelbaren "harten Kern" der Langzeitarbeitlosen in Deutschland fordern die Studienautoren mehr Möglichkeiten der öffentlich geförderten Beschäftigung, um sie am Arbeitsmarkt und somit auch sozial teilhaben zu lassen.

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