“Deutschland sollte nicht den Märtyrer spielen“

  14 Juni 2016    Gelesen: 704
“Deutschland sollte nicht den Märtyrer spielen“
Der aus Polen stammende EU-Ratspräsident Donald Tusk betont, Deutschland sei in der Flüchtlingskrise nicht alleingelassen worden. Der mögliche Brexit macht ihm nicht nur wirtschaftlich große Sorgen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hat in der Flüchtlingskrise den Eindruck zurückgewiesen, Deutschland sei von den EU-Partnern im Stich gelassen worden. "Andere Länder haben, gemessen an ihrer Bevölkerungsgröße, auch sehr viele Flüchtlinge aufgenommen. Deutschland wurde also nicht alleingelassen und sollte nicht den Märtyrer spielen", sagte er der "Bild"-Zeitung.

"Das ist so falsch wie die Vorwürfe, Deutschlands offene Grenzen seien schuld an der Flüchtlingskrise." Die Bundesrepublik hat im vergangenen Jahr gut eine Million Flüchtlinge aufgenommen.

Zudem hoffe er, dass die Briten gegen den Austritt stimmen. "Ich bin kein Prophet", so Tusk. "Trotzdem ist es ein historischer Moment, man kann es spüren. Etwas Altes endet, etwas Neues beginnt. Aber ich bin sicher, dass die EU überleben wird, auch wenn der Preis dafür hoch sein wird."

"Fangt bei euch selbst an!"

Ein Brexit würde der gesamten EU schaden. Tusk verglich den Austritt der Briten mit einer Trennung. "Jede Familie weiß: Eine Scheidung ist für alle traumatisch. Wirtschaftlich hätte jeder in der EU Nachteile, aber vor allem die Briten selbst", warnte Tusk. "Politisch würde ein Austritt alle radikalen Anti-Europäer in den EU-Staaten anfeuern. Mehr noch: Am Tag des Austritts der Briten würden unsere äußeren Feinde Champagner trinken. Wir sollten alles daransetzen, ihnen diese Party zu verderben", erklärte der EU-Ratspräsident.

Für ihn steckt die EU in einer Krise und sei lange keine "Schönwetter-Veranstaltung" mehr. Tusk mahnt an: "Die Ferien von der Weltpolitik sind vorbei. Wir müssen wieder die Schulbank drücken und schwere Prüfungen bestehen."

Der aus Polen stammende Ratspräsident fand im Interview jedoch auch lobende Worte für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie habe in der Flüchtlingskrise "Verantwortungsgefühl, Moral und Werte zu verbinden versucht", für ihn die Kernwerte Europas. Er fügte jedoch unmittelbar hinzu: "Aber selbst Europa kann nicht grenzenlos Flüchtlinge aufnehmen, das versteht jetzt auch Deutschland." Sein Rat für jeden in Europa sei: "Wenn ihr jemanden kritisieren wollt, fangt bei euch selbst an!"

Quelle : welt.de

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