Unsicherheit über die “sicheren Herkunftsstaaten“

  15 Juni 2016    Gelesen: 725
Unsicherheit über die “sicheren Herkunftsstaaten“
Gelten die Maghreb-Länder künftig als sicher, sodass Asylanträge leichter abgelehnt werden können? Vor der Abstimmung im Bundesrat ist das noch offen. Die Grünen zögern.
Ob Menschen aus Tunesien, Marroko und Algerien künftig einfacher abgeschoben werden können, ist auch drei Tage vor der entscheidenden Bundesratsabstimmung immer noch unklar. Mehrere grün-regierte Länder haben noch nicht entschieden, ob sie am Freitag für die Einstufung der drei nordafrikanischen Länder als "sichere Herkunftsstaaten" votieren werden. Die Grünen warnen, dass es dort Folter und Verfolgung gibt. Sie fordern, dass gefährdete Gruppen wie Lesben und Schwule, politische Akteure und Journalisten weiter Schutz erhalten müssten.

Der Bundestag hatte die Maghreb-Staaten bereits im Mai mit den Stimmen von Union und SPD als sicher erklärt. Ihr Ziel ist es, Asylbewerber aus diesen Ländern schneller zurückschicken zu können. In Kraft treten kann das Gesetz aber nur, wenn der Bundesrat ebenfalls zustimmt. Doch in der Länderkammer haben die Koalitionsparteien seit den Landtagswahlen im März keine Mehrheit mehr. Union und SPD sind auf die Zustimmung von mindestens drei Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung angewiesen, um auf die absolute Mehrheit von mindestens 35 Stimmen in der Länderkammer zu kommen. Die Grünen sind in zehn Ländern an der Regierung beteiligt.

Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg verschob nun die Entscheidung über ihr Abstimmungsverhalten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, damit entspreche seine Regierung der "ungewöhnlichen" Bitte der Bundesregierung an die Länder, mit ihrem Beschluss zu warten. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) will die Grünen in Verhandlungen doch noch von den Plänen überzeugen. Aber selbst wenn sich Kretschmann zum Ja für das Gesetz durchringen sollte, ist die Mehrheit in der Länderkammer damit noch nicht gesichert.

Altmaier sagte, es bleibe dabei, dass Menschen, die verfolgt würden, Asyl in Deutschland bekommen könnten. Bei der übergroßen Mehrheit der Asylbewerber aus diesen Staaten sei das aber nicht der Fall. Es gehe darum, diesen Menschen das deutliche Signal zu geben, dass es sich nicht lohne, nach Deutschland zu kommen.

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Im Gespräch ist ein Kompromiss, wonach die Länder zwar als sicher eingestuft werden, parallel aber eine Sonderregelung für jene Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten getroffen wird, die Grüne und Menschenrechtler für schutzwürdig halten. Dabei geht es insbesondere um Lesben und Schwule sowie Oppositionelle.

Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen haben sich nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, wie sie am Freitag abstimmen werden. Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Bremen, in denen ebenfalls die Grünen an der Regierung beteiligt sind, kündigten an, die Verschärfung des Asylrechts abzulehnen oder sich zu enthalten. Dies würde als Nein gewertet. Auch Thüringen und Hamburg wollen sich voraussichtlich enthalten.

Die Zahl der Flüchtlinge aus Algerien, Marokko und Tunesien in Deutschland ist derzeit vergleichsweise niedrig. Seit Jahresbeginn beantragten nach Angaben des Bundesinnenministeriums 5.272 Menschen Asyl.

Verfehlt das Gesetz am Freitag die Mehrheit, können Bundesregierung oder Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann kann weiter über einen Kompromiss verhandelt werden, den dann wiederum Bundestag und Bundesrat absegnen müssen.


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