Deutsche Unternehmen kämpfen um die Zukunft des Automobils

  15 Juni 2016    Gelesen: 693
Deutsche Unternehmen kämpfen um die Zukunft des Automobils
Spätestens seit Tesla und Dieselgate ist klar, wer in Sachen E-Mobilität und autonomem Fahren nicht bereits in den Entwicklungen steckt, der läuft Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Konkurrenz findet sich dabei eben nicht bei den klassischen Automobilherstellern, sondern auch unter Technologiekonzernen, Start-ups und Mittelständlern.
Hyperloop-Züge, Hightech-Fahrräder und auch Fahrdienste erfahren Aufwind, doch letztlich werden sie dem Automarkt in den kommenden Jahren nicht gefährlich werden. Das Automobil ist und bleibt beliebt. Vor allem Märkte wie China und Indien versprechen weiterhin ein großes Wachstumspotential. Doch eines haben diesbezüglich nun auch die klassischen Autohersteller bemerkt: Wer sich nicht bewegt, droht überholt zu werden. Der Tipping-Point in Sachen E-Mobilität und autonomem Fahren ist erreicht. Und die Konkurrenz wird hier nicht kleiner, sondern größer.

Autohersteller, die nicht längst diese Revolution des Automobils in ihr Konzept aufgenommen haben, werden sich in fünf Jahren umschauen. Bereits jetzt spüren beispielsweise deutsche Unternehmen die Auswirkungen von Teslas Erfolg. Neueste Studien zeigen, dass viele Tesla-Käufer in den USA früher BMW, Daimler oder Porsche gekauft hätten. Durch das hohe Interesse chinesischer Bürger an E-Mobilität werden aus China vermehrt Hersteller von E-Autos bzw. Hersteller von E-Autos, die autonom fahren, auch auf europäische Märkte drängen. Übernahmen von Marken wie VW und Jaguar durch Autohersteller aus den Schwellenländern erhöhen die Zugangsmöglichkeiten zum europäischen und US-amerikanischen Automarkt zusätzlich.

Dass die Botschaft bei den deutschen Autoherstellern langsam angekommen ist, zeigen die Pläne VWs, eine milliardenschwere Batteriefabrik zu bauen. Bis 2018 wolle man zudem Marktführer für E-Mobilität werden. BMW kündigte Anfang Juni an, die Elektroauto-Tochter BMW i vermehrt auch auf die Entwicklungen für autonomes Fahren anzusetzen. Der in der Entwicklung befindliche BMW iNext soll 2021 auf den Markt kommen und sowohl elektrisch als auch autonom fahren. Im Herbst will Daimler sein neues Elektroauto mit einer Reichweite von 500 Kilometern vorstellen.

Eins ist trotz vieler neuer Projekte klar, die deutschen Autohersteller müssen die Preise ihrer E-Autos deutlich senken. Diese sind teilweise schon heute ein deutlich größeres Hindernis als die Reichweite. Denn die Reichweite wird sich in den kommenden 12 Monaten noch einmal deutlich erhöhen lassen. Und dank ausgefeilter Technologie lassen sich bereits gekaufte Autos auch auf die neuen Batterien umrüsten.

Bei autonomen Autos scheinen die deutschen Autohersteller mittlerweile ganz gut in der Entwicklung fortgeschritten und können sich eine Pole-Position sichern. Gerade mit Blick auf die zahlreichen Premiumfahrzeuge, die auch aufgrund ihrer gehobenen Ausstattung überzeugen müssen, sind die deutschen Hersteller gut beraten, hier Vorreiter zu werden. Weltweit wurden seit 2010 dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln zufolge 2838 Patente zum autonomen Fahren angemeldet.

Mehr als die Hälfte der Patente stammt tatsächlich von den klassischen Herstellern, etwa ein Drittel geht auf die bekannten Zulieferer zurück. Auf Unternehmen wie Apple, Google, und Tesla entfallen nur etwa 7 Prozent der Patente. Vor allem Google war bisher fleißig. Aber immerhin 58 Prozent der weltweit angemeldeten Patente zum autonomen Fahren werden von deutschen Anbietern gehalten. Nimmt man die deutschen Zulieferer noch hinzu, sind es sogar 82 Prozent.

So wundert es nicht, dass sich unter den Top 10 der größten Patentanmelder für autonomes Fahren sechs deutsche Hersteller finden: Audi, Bosch, VW, Daimler, DMW und Continental. Bosch hat mit insgesamt 545 Patentanmeldungen die Nase vorn. Dahinter folgt Audi mit 292 Patenten und Continental mit 277. Von den Herausforderern Tesla, Apple und Google findet sich lediglich Google unter den Top 10.

„Die Entwicklung des autonomen Autos bringt ein hohes disruptives Potenzial für die weltweite Autoindustrie mit sich“, heißt es in der Studie. Neue Anbieter können demnach auf den Markt treten, wenn „sie ihren technologischen Vorsprung mit Kompetenzen im Fahrzeugbau kombinieren können, die auch von den traditionellen Herstellern und Zulieferern zugekauft werden können“.

Schätzungen zufolge werden vollautonom fahrende Autos ab 2040 die herkömmlichen Diesel und Benziner verdrängt haben. Aller Voraussicht nach werden demzufolge LKWs zu den ersten wie selbstverständlich autonom fahrenden Fahrzeugen auf den öffentlichen Straßen gehören.

Die Entwicklungen am Automobilmarkt sind jedoch nicht nur für Zulieferer, Technologiekonzerne und Hersteller wichtig. Gerade im Bereich der offenen Automobilwerkstätten sind die Auswirkungen in Gänze noch nicht absehbar. Neben der Etablierung von Carbon in der Fahrzeugherstellung stehen die offenen Werkstätten vor Herausforderungen hinsichtlich der zunehmenden Technisierung der Autos und der speziellen Akkus. Viele Werkstätten werden in zehn Jahren vor dem Aus stehen, weil sich ihre Geschäftsgrundlage zu stark von den aktuellen Entwicklungen entfernt hat. Der Wissensvorsprung der Vertragswerkstätten wird enorm sein.

Gleichzeitig öffnet das autonome Fahren anderen Unternehmen die Tür. Wer nicht selbst fährt, kann sich im Auto mit anderen Dingen beschäftigen. Eine Umfrage des Fraunhofer IAO zeigt, dass drei Viertel der Befragten Autofahrer bereit wären, in autonom fahrenden Autos Geld für Mehrwertdienste auszugeben. Je mehr sich das autonome Fahren durchsetze, desto größer werde die Nachfrage der Nutzer nach Services sein, um die frei werdende Zeit im Auto sinnvoll zu nutzen. Geht man also von hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen auf dem deutschen Automobilmarkt in einer Zeitspanne bis 2035 aus, könnten allein durch Mehrwertdienste ein monatlicher Umsatz von bis zu 67 Millionen Euro im Jahr 2020 und etwa 1,35 Milliarden Euro 2035 erzielt werden.

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