Härte gegen Asylbewerber
Forscher der Universität Leipzig gehen seit 2002 der Frage nach, wie weit rechte Einstellungen in der Gesellschaft verbreitet sind. Alle zwei Jahre machen sie in Kooperation mit politischen Stiftungen groß angelegte repräsentative Umfragen. Auch in diesem Jahr tourten die Interviewer durch deutsche Wohnzimmer und befragten bundesweit 2420 Menschen. Der Titel der aktuellen Studie: „Die enthemmte Mitte“. Die Befunde geben zu denken.
Die Hälfte der Deutschen fühlt sich „durch die vielen Muslime (...) manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“. Gut 41 Prozent meinen, Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland gleich ganz verboten werden. Fast 60 Prozent der Bürger sind der Ansicht, die meisten Asylbewerber hätten in ihrer Heimat nicht wirklich Verfolgung zu befürchten. Und knapp 81 Prozent finden: „Bei der Prüfung von Asylanträgen sollte der Staat nicht großzügig sein.“
Aggressionen gegen Sinti und Roma
Auch gegen Sinti und Roma richten sich ausgeprägte Aggressionen. Sie neigten zur Kriminalität, meinen 58,5 Prozent der Deutschen. Und etwa die Hälfte der Bevölkerung ist der Ansicht, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden. Schwule und Lesben sind ebenfalls Zielscheibe solcher Abwertungen.
Diese Ressentiments gegen einzelne gesellschaftliche Gruppen haben deutlich zugenommen in den vergangenen Jahren. Zugleich bewegen sich „klassische“ rechtsextreme Einstellungen auf gleichbleibendem Niveau - wie Judenhass, Überfremdungsängste, Führerfantasien oder ein verharmlosender Blick auf die NS-Vergangenheit.
Führer-Romantik
Einer der Studienautoren, Oliver Decker, sagt, es sei eine Verschiebung zu beobachten - weg von „althergebrachten“ rechten Positionen hin zu Aggressionen gegen einzelne Gruppen. Auch weil solche Aussagen gesellschaftlich auf etwas mehr Akzeptanz treffen als etwa eine Verherrlichung der NS-Zeit. Der Rechtsextremismus-Experte Timo Reinfrank erklärt, es gehöre zum Modernisierungskurs der Rechten, sich weg zu bewegen vom
„verpönten Erbe des Rechtsextremismus“ hin zu neuen Mobilisierungsparolen.
Das „verpönte Erbe“ trifft aber auch immer noch auf Zustimmung von bis zu zehn Prozent und mehr in der deutschen Bevölkerung. Da wird befunden, der Nationalsozialismus habe auch seine guten Seiten, Hitler ebenfalls, die NS-Verbrechen würden übertrieben dargestellt und Deutschland brauche wieder einen starken Führer.
Auch die allgemeine Ausländerfeindlichkeit, die sich gegen Migranten insgesamt richtet, ist nach wie vor weit verbreitet. Fast 34 Prozent der Deutschen meinen, die Bundesrepublik sei „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Ausmaß überfremdet“. Und ein gutes Viertel der Bevölkerung findet: „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.“
Gewaltbereitschaft
Elmar Brähler - ebenfalls Studienautor - betont: „Das Ausmaß der Ausländerfeindlichkeit hat zwar nicht zugenommen, aber es war immer schon da und es ist groß.“ Auch das sei besorgniserregend.
Und: Menschen mit rechten Einstellungen sind laut Studie zunehmend offen dafür, zur Durchsetzung ihrer Interessen Gewalt anzuwenden. Fast 20 Prozent der Befragten erklären, sie seien bereit, sich „mit körperlicher Gewalt gegen Fremde durchzusetzen“. Mehr als 28 Prozent würden zwar nicht selbst handgreiflich werden, finden es aber „gut, wenn es Leute gibt, die auf diese Weise für Ordnung sorgen“.
Rechtsextreme finden Heimat in der AfD
Besonders verbreitet sind rechte Positionen und Ressentiments gegen Asylbewerber, Muslime sowie Sinti und Roma bei AfD-Anhängern und Nichtwählern. „Die Rechtsextremen haben in der AfD eine Heimat gefunden“, sagte Decker. Die Wissenschaftler meinen, das Potenzial für rechtspopulistische Parteien sei noch größer als es die Wahlergebnisse bislang zeigten.
Ein - spärlicher - Trost: Im Vergleich zu rechten Einstellungen in anderen europäischen Staaten stehe Deutschland im Mittelfeld, sagt Brähler. In Österreich zum Beispiel seien Umfrageergebnisse noch „weitaus bedrohlicher als in Deutschland“.
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