Der Begriff "Resilienz" wird vor allem in der Psychologie verwendet. Er beschreibt die "psychische Widerstandsfähigkeit" von Menschen, also ihre Fähigkeit mit Krisen umzugehen und sie zu bewältigen. Und irgendwie passt es auch, dass es einer der Schlüsselbegriffe im neuen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr ist.
Denn um Psychologie in Zeiten der Krise geht es auch in der neuen sicherheitspolitischen Standortbestimmung Deutschlands, die Mitte Juli vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Darin ist an vielen Stellen die Rede von eben jener "Resilienz". Im Klartext: Deutschland soll seine Infrastruktur besser gegen Cyber-Angriffe schützen.
Eigenlob statt Ideen für Heer oder Marine
Doch wie genau - da bleibt das Papier reichlich unkonkret. Der Entwurf, der tagesschau.de vorliegt, ist derzeit noch in letzter Ressortabstimmung. Doch schon jetzt ist klar: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nutzt das wichtigste sicherheitspolitische Grundsatzdokument der Bundesregierung neben der fast schon traditionell-wolkigen politischen Prosa von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in Europa und der Verantwortung Deutschlands vor allem zur Beschreibung von Krisen und Risiken. Und zum Eigenlob für die diversen als "Trendwenden" verkauften Reformen der Ministerin.
Ausführlich werden weithin bekannte Pläne in Sachen Personal, Attraktivität und Rüstung erneut zusammengefasst. Konkrete zusätzliche Strategien oder Folgerungen für die Bundeswehr, deren Kurs das Papier doch eigentlich vorgeben sollte, sind allerdings kaum zu entdecken. Die Worte Heer, Marine oder Luftwaffe sucht man genauso vergeblich wie Aussagen zu Panzern, U-Booten oder Drohnen.
Dünnstes Weißbuch seit Jahren
Es ist das dünnste Weißbuch seit Jahren. Das Vorgängerpapier von 2006 hatte immerhin 149 Seiten, Volker Rühes Weißbuch von 1994 brachte es auf 160 Seiten. Von der Leyen reichen 82, und dabei werden diverse Argumente gleich mehrfach wiederholt. Und dennoch liest sich das Papier an einigen Stellen durchaus interessant. Denn es enthält einige kontroverse politische Akzentuierungen. Etwa in Punkto Auslandseinsätze der Bundeswehr. Einerseits will sich Deutschland künftig stärker bei Blauhelm-Missionen der Vereinten Nationen engagieren, andererseits würden "Ad-hoc-Kooperationen" als Instrumente der internationalen Krisenbewältigung "weiter an Bedeutung gewinnen", heißt es im Weißbuch-Entwurf. Deutschland werde sich in Fällen, in denen es "seine eigenen Interessen auf diesem Wege schützen kann", an solchen Kooperationen beteiligen.
Anders formuliert: Koalitionen von Willigen, wie etwa bei der US-geführten Anti-IS-Koalition in Syrien und dem Irak, sind für von der Leyen künftig ein Normalfall. Grüne und Linkspartei, aber auch so mancher in der SPD, sehen das anders und würden derlei Interventionen - wenn überhaupt - nur unter dem Dach der Vereinten Nationen oder der EU zustimmen.
Votum für Waffen-Exporte
Auch bei den Rüstungsexporten lohnt sich eine genaue Lektüre. Da bekennt sich das Wehrressort zwar zur restriktiven Rüstungsexportpolitik, lässt aber diverse Hintertüren offen. So ist von gezielter Industriepolitik und "Exportunterstützung" die Rede. Neben den Partnern in NATO, EU und Ländern, die einen ähnlichen Status haben, ist auch von "Drittstaaten" die Rede, in die Kriegswaffen exportiert werden können, wenn "außen- oder sicherheitspolitische Interessen" dafür sprechen. Es soll also auch künftig dabei bleiben, dass Deutschland Exporte etwa in arabische Diktaturen im Einzelfall erlauben kann.
An anderer Stelle erschließt sich, warum das so formuliert ist. Unter der Überschrift "Verantwortung für Stabilität und Sicherheit des internationalen Umfelds übernehmen" findet sich ein Bekenntnis zu Angela Merkels Politik der "Ertüchtigung". Die besagt, dass man andere Länder in die Lage versetzen will, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen. Wörtlich heißt es im Weißbuch-Entwurf: "Im Vordergrund stehen Ausbildung sowie Unterstützung und Beratung beim Kapazitätsaufbau". Das heißt auch Lieferung von Kriegsgerät.
Auf NATO-Linie
Sobald das Weißbuch im Kabinett abgesegnet worden ist, ist es offizielle Regierungspolitik und mehr als eine bloße Standortbestimmung des Verteidigungsressorts. Das will langfristig mehr Geld, denn derzeit sei die Bundeswehr für die Erfüllung der sicherheitspolitischen Ziele Deutschlands "noch nicht im angestrebten Umfang aufgestellt". Außerdem will man dem von der NATO vorgegebenem Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung näher kommen.
Ohnehin liest sich der Weißbuch-Entwurf an etlichen Stellen wie eine Kopie der offiziellen NATO-Linie. Etwa, wenn es um die Bewertung Russlands geht. Wörtlich heißt es: „Ohne eine grundlegende Kursänderung wird Russland somit auf absehbare Zeit eine Herausforderung für die Sicherheitspolitik auf unserem Kontinent darstellen.“
Keine Überraschungen
Viele bekannte Positionen also, die die Bundesregierung bereits an anderer Stelle selbst formuliert oder unterstützt hat. Überraschungen gibt es in diesem Weißbuch keine. Kein feuriges Bekenntnis zu einer Europa-Armee, nur der eher lauwarme Anspruch, irgendwann eine gemeinsame europäische Verteidigung zu erreichen. Auf dem Weg dahin wird der Aufbau eines ständigen zivil-militärischen Hauptquartiers angestrebt.
Die Möglichkeiten zum umstrittenen Einsatz der Bundeswehr im Inland, die von der Leyen ursprünglich zum Unmut der SPD ausweiten wollte, sind geblieben wie sie aktuell sind. Von den Plänen der Ministerin blieb lediglich die Formulierung, dass "das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls", in dem die Streitkräfte schon jetzt in Deutschland eingesetzt werden können, "auch bei terroristischen Großlagen in Betracht" komme.
Quelle: tagesschau.de
Tags: