Die meisten Missbrauchsopfer sind männlich

  27 Juni 2016    Gelesen: 677
Die meisten Missbrauchsopfer sind männlich
In aufwendigen Studien untersuchen Wissenschaftler den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Jetzt gibt es Ergebnisse einer Teilstudie über Täter und Opfer.
Eine neue Studie zeigt, dass der Anteil männlicher Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche deutlich höher ist als in anderen Institutionen. Bei den untersuchten Fällen von sexuellem Missbrauch durch Priester, Ordensleute und andere Mitarbeiter der katholischen Kirche waren etwa vier von fünf Opfern, also mehr als dreiviertel männlich. Bei anderen Institutionen war nicht einmal jedes zweite Opfer männlich, wie aus der Untersuchung hervorgeht.

Die Studie ist ein Teil des Forschungsprojekts der Deutschen Bischofskonferenz zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Es handelt sich dabei um eine Auswertung von bereits veröffentlichten Untersuchungen aus verschiedenen Ländern. Neben Deutschland gehören dazu mehrere westeuropäische Länder sowie unter anderem die USA, Kanada und Australien. Insgesamt zogen die Forscher für die Metaanalyse nach eigenen Angaben 40 Studien über die katholische Kirche und 13 über andere Einrichtungen heran. Das gesamte Forschungsprojekt, das aus sechs Teilprojekten besteht und im vergangenen Jahr begonnen wurde, soll Ende 2017 abgeschlossen sein.

Die Täter sind danach in erster Linie Gemeindepfarrer und andere Priester. Laut Analyse weisen knapp ein Drittel der Täter eine emotionale oder sexuelle Unreife auf, 21 Prozent der Täter sind von einer Persönlichkeitsstörung betroffen, für 17,7 Prozent der Täter wurden Merkmale von Pädophilie angegeben. Alkoholabhängig seien 13,1 Prozent der Täter.

Bei der Mehrheit der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche handelt es sich laut Studie um geplante Handlungen. Auf häufigsten ereigneten sich Übergriffe demnach in der Wohnung des Täters, am zweithäufigsten in einer Schule, gefolgt von öffentlichen Plätzen und von Übergriffen vor oder nach dem Gottesdienst in der Kirche oder in angrenzenden Räumen.

Insgesamt haben die Wissenschaftler in den Studien 14.588 Taten untersucht. In 82,9 Prozent der Fälle gab es einen direkten Körperkontakt zwischen Opfer und Täter. Die Opfer litten nach der Tat überwiegend an psychischen Folgen wie Angststörungen oder Depressionen, gefolgt von verhaltensrelevanten Folgen wie einem sozialen Rückzug und körperlichen Folgen wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen.

Das Forscherkonsortium um den Psychiater und Forensiker Harald Dreßing will in den anderen Teilprojekten unter anderem Personal- und Strafakten auswerten. Zudem soll es eine biografische Befragung von Tätern und Opfern und einen Vergleich mit anderen Institutionen geben.

Als erste große Institution hatte die katholische Kirche in Deutschland bereits 2010 ein Konzept zur Entschädigung der Opfer von sexuellem Missbrauch vorgelegt. Demnach erhalten Betroffene, die durch Priester oder andere Mitarbeiter der katholischen Kirche missbraucht wurden, jeweils bis zu 5.000 Euro. In begründeten Einzelfällen werden auch höhere Summen gezahlt.

Wegen des ungewöhnlichen Forschungsansatzes gebe es bereits jetzt viele Anfragen aus dem Ausland zu dem Projekt, so der Wissenschaftler. Damit könnte die deutsche Studie nach der 2002 erstmals veröffentlichten Studie des New Yorker "John Jay College of Criminal Justice" ebenfalls international Maßstäbe setzen. Die Forscher betonten, ein besonderer Schwerpunkt werde dann auch bei den Konsequenzen liegen, die sich aus den neuen Erkenntnissen etwa für die Priesterausbildung ergeben.

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