So aggressiv war die Stimmung beim Pegida-Jubiläum

  20 Oktober 2015    Gelesen: 613
So aggressiv war die Stimmung beim Pegida-Jubiläum
Sie ist noch da: Rund 20.000 Anhänger bringt die islamfeindliche Pegida-Bewegung an ihrem ersten Jahrestag auf die Straße. Erst fliegen Böller, dann Pflastersteine auf die Polizei. FOCUS-Online-Autor Fabian Köhler war in Dresden vor Ort und erlebte die aggressive Stimmung und schließlich die Gewalteskalation mit.
Ein Jahr ist es her, dass sich am 18. Oktober 2014 zum ersten Mal 350 Menschen unter dem sperrigen Namen „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ in Dresden zusammen fanden. Ein Jahr später sind sie noch immer da.

Jeweils rund 20.000 auf beiden Seiten
Ihnen gegenüber steht ein Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Aktivisten, die zumindest an diesem Montag die Dresdner Innenstadt nicht den Rassisten überlassen wollen. "Herz statt Hetze" heißt der Slogan der einen. „Aus Liebe zu deinem Land“ der Euphemismus der anderen.

Rund 20.000 Menschen konnte die Pegida an diesem Jubiläumsmontag gegen Flüchtlinge auf die Straße zu bringen. Doch auf der anderen Seite standen etwa genauso viele – und setzten endlich einen hörbaren Protest entgegen.

Der Sprecher der sächsischen Grünen ist einer der Organisationen des Gegenprotests. Nicht nur am Montag in Dresden. Auch in Heidenau, Freital, Meißen hat Kasek in den letzten Wochen Proteste angemeldet. So ziemlich in allen sächsischen Orten, deren Namen vor einem Jahr noch kaum einer kannte und die nun zum Sinnbild neuer deutscher Fremdenfeindlichkeit geworden sind.

Die Angst vor Gewalt war berechtigt
Am Montag führt Kasek einen der vier Protestzüge an, die auf die Pegida-Kundgebung zulaufen sollen. Bevor es losgeht spricht er von der „großen Sorge, dass das heute mit Gewalt endet“. Er wird recht behalten.

Beide Seiten trennen teils nur 20 Meter – und Hundertschaften sächsischer Bereitschaftspolizisten. Hunderte äußerlich erkennbare Neonazis pöbeln am Rand des Theaterplatzes in Richtung der Gegendemonstranten. Böller fliegen.

Auch auf und vor der Bühne und unter jenen Teilnehmern, die sich selbst als ganz normale Bürger verstehen, ist die Stimmung nicht weniger aggressiv. Lutz Bachmann und die Dresdner Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling wettern gegen „Sozialschmarotzer“ und „Volksverräter“. Der umstrittene Autor Akif Pirinçci spricht von Muslimen, die „Ungläubige mit ihrem Moslemsaft vollpumpen“ und bedauert, dass es keine KZs mehr gibt. Die Menge antwortet mit „Wir sind das Volk“ und „Merkel muss weg“.

Die gewaltbereiten unter den Demonstranten haben schon Pläne für später: „Das wird heute unsere größte Party seitdem Reichsparteitag von 33“, sagt ein älterer Mann mit Pudelmütze und erntet das erhoffte Gelächter. Gruppen organisierter Neonazis verabredeten sich zur späteren Jagd auf „Zecken“.

Hooligans werfen Pflastersteine
„Emotionsgeladen“, nennt das die Dresdner Polizei auf Twitter am Abend. Als die Kundgebung auf dem Dresdner Theaterplatz zu Ende geht, eskaliert die Lage völlig. Am Altmarkt werfen Hooligans Pflastersteine auf Polizisten. Auch ein Pegida-Anhänger wird laut Berichten der Dresdner Polizei schwer verletzt, als vermutlich Gegendemonstranten mit einer Eisenstange auf ihn einschlagen.

AFP Linke-Gegendemonstranten am Pegida-Jahrestag
Ein Kameramann der russischen Nachrichtenagentur Ruptly wird zusammengeschlagen. Neonazis strecken einen Marokkaner mit einer Flasche nieder. Ein Reporter der „Sächsischen Zeitung“ berichtet, er habe nur knapp rechten Schlägern entkommen können. Ein Reporter der Deutschen Welle soll ebenfalls angegriffen worden sein.
„Parallelgesellschaft entstanden“

„Da ist eine Parallelgesellschaft entstanden, die meint, sie hat das Recht, hier jede Woche ein braunes Volksfest zu feiern“, sagt Gegendemo-Organisator Kasek. Als Gegendemonstranten und Journalisten am Abend die Gegend um den Dresdner Theaterplatz verlassen, dauert die „braune Party“ immer noch an. Sie wird auch nach diesem Montag nicht enden.

Auch jenseits der Konfrontation zwischen Pegida-Anhängern und -Gegnern nimmt die Gewalt zu. Über 500 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte hat das Bundesinnenministerium seit Jahresbeginn gezählt. Angriffe auf Flüchtlinge haben sich gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Mindestens 40 Menschen wurden dabei im letzten Jahr teils schwer verletzte. Zuletzt rammte am Samstag in Köln ein Flüchtlingsgegner der Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker ein Messer in den Hals .

Nach dem anfänglichen Trubel um Pegida war es eine zeitlang stiller geworden um die Protestbewegung. Doch nun schlachtet sie die Flüchtlingskrise für ihre Zwecke aus. 20.000 Anhänger in Dresden zeigen: Sie ist wieder da. Und die Ausschreitungen an diesem Jahrestag zeigen, wie klein für viele von ihnen der Sprung zur Gewalt ist.

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