Italiens Triumph über Spanien: Der Meistertrainer und seine 23 Träumer

  28 Juni 2016    Gelesen: 628
Italiens Triumph über Spanien: Der Meistertrainer und seine 23 Träumer
Spanien hatte den viel besseren Kader. Aber im Achtelfinale zeigte Italiens Meistercoach Antonio Conte einmal mehr, dass ein brillanter Trainer oft wichtiger ist als brillante Spieler.

Es lief die erste Minute der Nachspielzeit im EM-Achtelfinale zwischen Italien und Spanien. Graziano Pellè schoss ein Tor für die Azzurri und lag kurz darauf unter einem Knäuel Menschen, das den Viertelfinaleinzug feierte. Italien hatte nicht nur 2:0 gewonnen, es hatte einen der großen Favoriten auf den Turniersieg phasenweise vorgeführt. Wie das gelang, brachte Verteidiger Leonardo Bonucci auf den Punkt: "Wir haben nicht nur gewonnen, sondern zum Teil auch guten und schönen Fußball gespielt."

Was war los in Paris? Hätte es nicht eigentlich so sein müssen, dass die spanische Kombinationsmaschine anrennt und Italien in den Tiefen des eigenen Strafraums darauf hofft, dass möglichst lange nichts passiert? So wäre es möglicherweise tatsächlich gewesen, wenn 2014 ein anderer Trainer die Squadra übernommen hätte. Einer, der auf Nummer sicher gegangen wäre.


Doch das hätte wohl nicht zu Antonio Conte gepasst. Der betonte unmittelbar nach dem Schlusspfiff, dass er sich über das Ergebnis genauso freue wie über dessen Zustandekommen. "Wir sind auch offensiv auf der Höhe. Das freut mich, weil es ja oft heißt, dass italienische Mannschaften nur verteidigen können." Da war jemand nicht nur einfach glücklich, da erklärte jemand seine Mission.

Was Conte vorfand, als er die Mannschaft 2014 übernahm, hat ihn damals nachdenklich gestimmt. "Es hat keinen Sinn, zu verheimlichen, dass der italienische Fußball in einer schwierigen Situation ist, es fehlen die Talente." Die einzige Chance sei deshalb gewesen, "eine Mannschaft zu sein und keine einfache Auswahl." Eine Mannschaft, die als Kollektiv überzeugt. Und eine Mannschaft, die umsetzt, was Conte sehen will: eine disziplinierte Defensivleistung.

Doch nicht als Selbstzweck wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten, sondern als Basis, um ein Spiel zu dominieren und deshalb auch zu gewinnen. "Conte ist ungeheuer wichtig für diese Mannschaft", sagte Bonucci. "Er gibt uns eine klare Spielidee vor, und an der haben wir in den letzten zwei Jahren gearbeitet." Und da man nun mal wisse, dass man individuell mit Iniesta, Piqué und Fabregàs nicht mithalten könne, sei man eben im Vorfeld umso fleißiger gewesen. "Das sind große Spieler, wir haben uns deshalb bis ins Detail auf sie vorbereitet."

Dass das 0:2 vollauf in Ordnung ging, stellte im Übrigen auch Spaniens Trainer Vicente del Bosque nicht in Frage: "Wir haben in der zweiten Halbzeit dagegengehalten, aber Italien war die bessere Mannschaft." Das sah wohl auch Kollege Conte so, doch umso energischer war er darauf bedacht, die Erwartungshaltungen zu dämpfen. Ob er wisse, dass Italien in Deutschland als Angstgegner gelte, wurde er gefragt. Und antwortete umgehend: "Wir haben im März 4:1 gegen sie verloren, nur, falls Sie das vergessen haben." Löws Mannschaft halte er sowieso für "stärker als alle anderen Mannschaften hier".

Das mag schon sein, doch wer dieses italienische Team gesehen hat, der könnte sich sehr gut vorstellen, dass es am Samstag nicht nur ein spannendes Spiel wird, sondern auch ein attraktives. Es wäre dann eines, das so ganz nach dem Geschmack von Conte wäre, mit dem der FC Chelsea nach dieser Saison noch viel Freude haben dürfte. Einer von Contes Lieblingssätzen hat sich seinen Spielern offenbar so tief eingeprägt, dass Bonucci ihn andächtig rezitierte: "Ihr müsst 23 Spieler sein - und 23 Träumer."

Quelle: spiegel.de

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