"Mir persönlich ist das aber relativ schnurzegal", sagte Juncker am Mittwoch nach einem informellen Treffen von 27 EU-Staats- und -Regierungschefs in Brüssel. Ceta sei das beste Abkommen, das die EU jemals ausgehandelt habe. Inhaltlich habe auch niemand etwas dagegen auszusetzen.
Wenn aber die Regierungen der EU-Staaten zur Auffassung kämen, dass Rechtsgutachten nicht zählten, wenn es um Politik gehe, sei er der Letzte, der sich dagegen wehre. "Ich werde nicht auf dem Altar juristischer Fragen sterben, aber ich hätte gern durch eindeutige Rechtsmittel belegt, dass dies kein EU-Abkommen ist." Er habe zudem angeregt, dass man in den Mitgliedsländern die Parlamente fragen könne, wie ihre Regierungen im EU-Rat über Ceta abstimmen sollten.
Auch in Kommissionskreisen wurde betont, das Handelsangelegenheiten sei Sache der EU und nicht von Kirchengemeinderäten und Kreistagen "und nicht mal des stolzen deutschen Bundestages". So sei nun mal die Rechtslage.
Gabriel nennt die EU-Kommission "töricht"
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte zuvor die Weigerung der EU-Kommission, die nationalen Parlamente mitentscheiden zu lassen. "Die EU-Kommission will beim Freihandelsabkommen mit Kanada mit dem Kopf durch die Wand", sagte Gabriel. "Jetzt zu beschließen, dass die nationalen Parlamente zu diesem Handelsabkommen nichts zu sagen haben, ist unglaublich töricht."
Gabriel nannte sich selbst einen "Befürworter guter Handelsabkommen". Die EU-Kommission falle aber allen Gutwilligen in den Rücken und mache ihnen die Arbeit noch schwerer. "Das dumme Durchdrücken von Ceta würde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten Freihandelsabkommen explodieren lassen", warnte er.
"Wenn die EU-Kommission das macht, ist TTIP tot"
Zudem bringe das Vorgehen Junckers und seiner Behörde das ohnehin in einer Sackgasse steckende Freihandelsabkommen TTIP mit den USA noch weiter in Schwierigkeiten. "Kein Mensch wird noch glauben, dass es bei dem Abkommen mit den USA, TTIP, nicht genauso laufen wird", sagte er. Gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" ging Gabriel noch weiter. "Wenn die EU-Kommission das bei Ceta macht, ist TTIP tot", sagte er.
Ohne ein Votum des Bundestages werde es kein deutsches Ja zu dem Abkommen mit Kanada geben. "Was immer die EU-Kommission beschließt: In Deutschland entscheidet der deutsche Bundestag", erklärte er. Ohne ein Ja des Bundestages werde er "auf keinen Fall Ceta zustimmen", sagte der SPD-Vorsitzende.
Lammerts Ansage, Seehofers Kritik
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) besteht auf der Beteiligung des deutschen Parlaments. "Die Bundesregierung kann ihre für das Inkraftsetzen des Vertrages notwendige Zustimmung zu dem Vertrag nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen nicht ohne Mitwirkung des Deutschen Bundestages erteilen", erklärte Lammert.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte auf dem EU-Gipfel zugesagt, sie werde den Bundestag um eine "Meinungsbildung" bitten.
Seehofer kritisierte am Mittwoch Junckers Veto als "unverantwortlich". "Das geht auf keinen Fall", sagte Seehofer in München.
Ernst: "Juncker hat Schuss aus Großbritannien nicht gehört"
Auch die deutsche Opposition reagierte ebenfalls unwirsch auf die Pläne der EU-Kommission. "Juncker hat den Schuss aus Großbritannien nicht gehört", sagte Linksfraktionsvize Klaus Ernst mit Blick auf das Brexit-Votum der Briten. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter beklagte, dass Junckers Vorgehen "EU-Skepsis und Politikverdrossenheit" befeuere.
Ceta ist nicht nur in Deutschland hoch umstritten. Beklagt werden unter anderem die intransparenten Verhandlungen und die mangelnde Beteiligung der Bürger.
Die Verhandlungen über Ceta zwischen der EU und Kanada sind bereits beendet. Laut EU-Kommission sieht das Abkommen die Abschaffung von 99 Prozent aller Zölle vor. Allein für den Export von Industrieerzeugnissen könnte die EU dadurch jährlich 470 Millionen Euro einsparen.
Quelle : welt.de
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