"Es ist wirklich ein Witz. Ich glaube nicht, dass Leute von Land zu Land springen sollten, nur weil ihnen danach ist", sagte die Irin Fionnuala McCormack, die beim Sieg der in Kenia geborenen Yasemin Can, früher Vivian Jemutai, nur Vierte über 10.000 Meter geworden war: "Es ist mehr als frustrierend, ich habe es satt."
Im EM-Aufgebot der Türkei standen insgesamt sieben in Kenia, zwei in Jamaika, zwei in Äthiopien geborene Athleten sowie jeweils ein in Kuba, Aserbaidschan und der Ukraine geborener Athlet und eine Athletin aus Südafrika. Zwölf Medaillen, darunter vier aus Gold, holte das Team bei dem am Sonntag zu Ende gegangenen Wettbewerb in Amsterdam – genauso viele wie bei den 22 Ausgaben zuvor zusammen. Das bedeutete Platz vier im Medaillenspiegel.
Fatih Cintimar, Präsident des von zahlreichen Dopingfällen erschütterten türkischen Verbandes, sieht seine Leichtathleten kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro am Beginn "einer neuen Ära", man sei "stärker als jemals zuvor".
Der Weltverband macht es möglich
Es ist nicht neu, dass Leichtathleten ihre Nation wechseln. Doch der Staaten-Tausch hat mittlerweile ein extremes Ausmaß angenommen, auch Katar und Bahrain rüsten ihre Mannschaften gern mit Athleten aus Afrika auf.
Der Weltverband IAAF macht es möglich. Eigentlich sind Athleten bei einem Nationenwechsel drei Jahre lang für internationale Wettbewerbe gesperrt. Werden sich die beteiligten Verbände aber über die "Ablösemodalitäten" einig, muss man nur noch zwölf Monate pausieren. Und in vielen Fällen wird dann mit viel Geld nachgeholfen.
"Wir sehen das sehr kritisch", sagte Präsident Clemens Prokop vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zu den vielen Nationenwechsel: "Wir werden auch beim außerordentlichen IAAF-Kongress im Dezember einen Antrag stellen, dass der Missbrauch des Staatenwechsels bekämpft wird. Denn wenn ein Wechsel zum Wirtschaftsgut wird, leidet die Leichtathletik."
"Warum sollte man in die Türkei auswandern?"
Svein Arne Hansen, Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA, unterstrich die Haltung Prokops. Man müsse die Bedingungen für einen Nationalitäten-Wechsel genauer beleuchten. "Der Europäische Verband – und die anderen Kontinentalverbände – müssen ein Mitspracherecht darüber haben, wenn die Attraktivität unserer Wettkämpfe beeinflusst wird", schrieb Hansen auf der Verbands-Homepage. Man werde auf europäischer Ebene intern diskutieren und zu einer gemeinsamen Position kommen.
McCormack machte ihrem Unmut über die Situation in Amsterdam am lautesten Luft. "Es gibt derzeit keinen Grund, warum man in die Türkei auswandern sollte. Es ist gefährlich, in diesem Land zu leben", sagte die 31-Jährige: "Warum sollten Leute es repräsentieren wollen? Ich habe keine Ahnung, und ich glaube nicht, dass es erlaubt sein sollte."
Auch der englische "Telegraph" machte sich lustig. Bevor die Athleten ihre Staatsbürgerschaft gewechselt haben, hätten sie die Türkei wohl nicht "einmal auf der Landkarte gefunden". Es sei "traurig", wenn Medaillen auf so eine "unverschämte Art" vergeben würden.
Quelle : welt.de
Tags: