Iesha Evans wird zur Ikone des Protests

  12 Juli 2016    Gelesen: 894
Iesha Evans wird zur Ikone des Protests
Der Protest gegen die Polizeigewalt in den USA bringt ein Foto hervor, das sich blitzschnell im Internet verbreitet. Es zeigt eine schwarze Frau, die sich von der Polizei verhaften lässt. Und es bringt den komplexen Konflikt auf den Punkt.
Es gibt Fotos, die bringen ein Thema, eine Entwicklung auf den Punkt. Ein Mann, der sich 1989 in China allein gegen Panzer stellt. Menschen, die am 11. September 2001 staubbedeckt durch New Yorks Straßen laufen. Oder eine jubelnde Menge in Westberlin, die am 9. November 1989 Menschen aus dem Ostteil der Stadt begrüßt.

Auch die derzeitigen Proteste gegen die Polizeigewalt in den USA haben nun solch ein Foto: Es zeigt Iesha Evans, eine junge Schwarze, die in Baton Rouge im US-Bundesstaat Louisiana von Polizisten in Kampfausrüstung abgeführt wird. Jonathan Bachman von der Agentur Reuters hat die Festnahme in einer ganzen Reihe von Fotos dokumentiert - blitzschnell verbreiteten sie sich in sozialen Netzwerken und in amerikanischen Medien.

Warum die Szene so schnell zu einer Fotoikone werden konnte? Weil sie die derzeitige komplexe Situation auf den Punkt bringt: Sie handelt von Protest und Polizeigewalt, von Individuum und Staatsmacht, von schwarzer Bürgerrechtsbewegung und einem gespaltenen Land.

Gewaltlosigkeit und Würde

Die jüngsten Proteste entzündeten sich an zwei Schwarzen, die binnen 48 Stunden von der Polizei getötet wurden. Philando Castile starb in St. Paul in Minnesota - der Gouverneur des Bundesstaates warf der Polizei daraufhin "exzessive Gewaltanwendung" vor. Zuvor war Alton Sterling in Baton Rouge in Louisiana Opfer tödlicher Polizeischüsse geworden. Die folgenden Demonstrationen gegen Polizeigewalt wurden durch den Mord an fünf Polizisten in Dallas überschattet, doch sie hielten an.

Baton Rouge, der Ort in dem Sterling starb, entwickelte sich dabei - neben St. Paul - zu einem der Zentren der Proteste, die von der Bürgerrechtsbewegung "Black Lives Matter" angeführt werden. Auch am Wochenende gingen hier Hunderte Menschen auf die Straßen. Und Dutzende Menschen wurden festgenommen, etwa weil sie Straßen blockierten. Darunter war auch Evans, laut amerikanischen und britischen Medien eine 28-jährige Krankenschwester aus New York mit einem fünfjährigen Sohn.

Auf den Fotos ist allerdings nichts zu sehen von Wut oder Gewalt, die die Proteste immer wieder begleiten. Ruhig lässt sich Evans von zwei herbeigeeilten Polizisten abführen. Vielfach wurde auf ihre Haltung hingewiesen: Aufrecht steht sie im wehenden Sommerkleid da, man spürt nicht nur ihren Stolz, sondern auch ihre Furchtlosigkeit im Angesicht einer hochgerüsteten Staatsmacht. Das erinnert an die Gewaltlosigkeit, die die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King in den 60er Jahren prägte. Auch damals gab es heftige Zusammenstöße zwischen Protestlern und Polizei, es gab Straßenschlachten, aber eben auch Aufrufe zum Gewaltverzicht, auch im Angesicht von prügelnden Polizisten.

"Ich lebe und bin sicher"

Wie damals ist auch auf dem Foto die Polizei mit einem Großaufgebot vertreten. Links sieht man eine ganze Reihe weiterer Beamter - alle in Kampfmontur, mit Schutzausrüstung und Helm. Auch sie sind verunsichert, seit den Morden von Dallas und etlichen weiteren Angriffen der letzten Tage. Gleichwohl ist ihre Aufrüstung symptomatisch für die Strategie der letzten Jahre, die Polizei mit militärischen Mitteln auszurüsten.

Ihnen steht Evans allein gegenüber - andere Demonstranten sind nur unscharf im Hintergrund zu sehen und stehen sicher auch hinter und neben dem Fotografen. Sommerkleid gegen Kampfmontur: Eine einzelne schwarze Frau stellt sich gegen eine Übermacht. Das Bild zeigt ein tief gespaltenes Land. Daran ändert auch der Appell von Präsident Barack Obama vom Wochenende nichts, der die Nation zur Einheit aufrief.

Die Symbolik, die Fotograf Bachman hier eingefangen hat, lässt sich kaum übertreffen. Er habe über seine Schulter gesehen und die Frau gesehen, die auf die Straße ging und sich einfach nur hinstellte, sagt er später über die Situation. "Sie hat nichts gesagt. Sie hat sich nicht widersetzt und die Polizei hat sie nicht weggezerrt."

Und Evans? Sie sprach später davon, dass sie nach der Verhaftung gut behandelt worden sei. Nur warum sie verhaftet wurde, versteht sie nicht: "Ich stand mit verschränkten Armen da und schaute die Polizisten bloß an. Wahrscheinlich gefiel ihnen das nicht." Sie sei für eine bessere Zukunft ihres Sohnes auf die Straße gegangen, wird sie weiter zitiert. Dafür fuhr sie eigens von New York nach Baton Rouge, um an der Demonstration teilzunehmen. Der britische "Guardian" und die BBC zitieren von einer Facebook-Seite, die ihr zugeschrieben wird: "Danke für die guten Wünsche und die Liebe, aber das ist das Werk Gottes. Ich bin ein Gefäß! Ehre dem Höchsten! Ich bin froh, ich lebe und bin sicher."

Quelle: n-tv.de

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