Sihong und Xiaocia Chen haben diesen Weg genommen. Oben am Schloss aber werden sie nicht ankommen. Sie werden nicht an der Führung teilnehmen, sie werden nicht in der nahen Umgebung des Schlosses gesichtet. Sie sind weg. Es scheint, als hätten sie sich auf diesem Weg schlichtweg in Luft aufgelöst. Er in Jeans und Sandalen, sie in weißem Pullover und heller Hose.
Um 16 Uhr an diesem 2. Juli ist die chinesische Reisegruppe, mit der die Chens unterwegs sind, auf dem Parkplatz eingetroffen. Zwei Stunden später soll es für die Gruppe Richtung Tirol zu einem Hotel weitergehen. Der Zeitplan ist eng bemessen auf einer einwöchigen Europa-Tour, die gerade in asiatischen Ländern beliebt ist.
Um 18 Uhr sitzen der Reiseleiter und die 26 weiteren Mitreisenden abfahrbereit im Bus. Wer nicht kommt, sind die Chens. Nach zwei Stunden Wartezeit informiert der Reiseleiter die Polizei.
Ein Unglück ist eher unwahrscheinlich
Was in den Tagen darauf folgt, ist eine beispiellose Suchaktion. Polizisten der alpinen Einsatztruppe durchkämmen das teils extrem steile Gelände, Taucher durchsuchen die Pöllatschlucht, Hubschrauber mit Wärmebildkameras suchen die Chens auch in der weiteren Umgebung des Schlosses. Es ist eine Suche zu Lande, zu Wasser und aus der Luft. Sie bleibt jedoch erfolglos. Keinen einzigen Hinweis auf den 37-Jährigen und die 39-Jährige haben die Einsatzmannschaften gefunden. Schließlich bricht die Polizei die Suche vor Ort nach den Vermissten ab.
"So intensiv, wie das Gelände durchsucht wurde, können wir ein Unglück zwar nicht zu 100 Prozent, jedoch aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen", sagt Polizeisprecher Sebastian Adam der "Welt". Die Suche nach dem Paar jedoch hat die Polizei mitnichten eingestellt. Die Ermittlungen laufen in mehrere Richtungen weiter. "Es gibt noch die Möglichkeit eines Verbrechens, aber auch hierfür haben wir bisher keine Hinweise gefunden", sagt Adam. Und da wäre noch Möglichkeit Nummer drei: Das Paar hat sich abgesetzt.
Zwei Mal hat die Polizei die anderen Mitglieder der Reisegruppe befragt. Zwei Mal kam es laut Polizei zu keinem brauchbaren Ergebnis. Die Gruppe ist mittlerweile wieder zurück in China.
Die Polizei hat kaum Informationen über die Chens
Zurückgeblieben in Deutschland sind die Reisepässe der Chens. Die hatte der Reiseleiter zuvor von allen Reisenden eingesammelt. Angeblich ein übliches Verfahren. Die Pässe liegen jetzt im chinesischen Generalkonsulat in München. Über das Konsulat laufen auch die Ermittlungen in der Heimat der Chens. "Uns wurde mitgeteilt, dass die Angehörigen informiert wurden", sagt Adam. Mehr habe er aber noch nicht gehört.
Klappt denn der Informationsaustausch zwischen Polizei und Konsulat? "Das kann ich so nicht sagen", sagt Adam, will dies aber nicht weiter ausführen. Sicher ist, dass die Füssener Beamten keine Hintergrundinformationen über die Chens erhalten haben. Kinder hatten sie wohl nicht, aber schon welchen Berufen die beiden nachgegangen sind, weiß die deutsche Polizei nicht. Die Versuche der "Welt", das chinesische Generalkonsulat zu erreichen, waren erfolglos.
Kein Angehöriger hat sich bisher bei der Polizei gemeldet
Bisher hat sich auch kein Angehöriger aus China bei den Beamten gemeldet. Eine Tatsache, die Adam "menschlich merkwürdig" findet. Das sei er bei Vermisstenfällen anders gewohnt, sagt er. Etwa, als 2013 in den Oberallgäuer Bergen eine 23-jährige Israelin verschwand. Damals reisten die Eltern mit einem Privatdetektiv an. Tage später wurde der Leichnam der jungen Frau gefunden. Sie war abgestürzt.
Im Fall der Chens hat die Polizei die Suche jetzt auf den Schengener Raum ausgeweitet. Bisher, sagt Adam, seien mehrere Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, die das Paar gesehen haben wollen. Eine heiße Spur war bisher nicht dabei.
Quelle : welt.de
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