Gesetzentwurf: So will die Bundesregierung Stalking-Opfer besser schützen

  13 Juli 2016    Gelesen: 485
Gesetzentwurf: So will die Bundesregierung Stalking-Opfer besser schützen
Stalker dringen in alle Lebensbereiche ihrer Opfer ein. Nun soll ein neues Gesetz die Bestrafung der Täter erleichtern. Was ändert sich? Der Überblick.
Keine ruhige Minute mehr. Ist er wieder vor der Haustür? Hat er sich Zugang zu meinen persönlichen Daten verschafft? Ständige Blicke auf das Telefon, den E-Mail-Eingang, den Facebook-Account. Wenn Menschen nicht loslassen können und ein Nein nicht akzeptieren, kann das Leben zur Hölle werden.

Tausende Deutsche werden jährlich gestalkt, digital oder in ihrem normalen Lebensumfeld - aber nur die wenigsten Täter werden zur Rechenschaft gezogen. Dafür sind die rechtlichen Hürden in Deutschland bislang zu hoch. Damit es zu einem Schuldspruch kommt, müssen die Nachstellungen bislang schwerwiegende Beeinträchtigungen des Lebens verursacht haben - etwa, wenn die betroffene Person deswegen umgezogen ist.

Die Bundesregierung will Betroffene besser schützen und hat deswegen nun eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht.

Was sieht der neue Gesetzentwurf vor?

Taten müssen in Zukunft lediglich "objektiv geeignet" sein, um beim Opfer zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung zu führen. Heißt: Stalking solle künftig auch dann strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgebe und sein Leben nicht ändere. "Es darf nicht sein, dass man zum Beispiel erst umziehen muss, damit ein Stalker strafrechtlich belangt werden kann", sagte Bundesjustizminister Heiko Maas. "Stalking kann Leben zerstören", so der SPD-Minister.

Der Strafrahmen ändert sich hingegen nicht: Stalking soll auch künftig mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden, wenn jemand einer anderen Person unbefugt und beharrlich nachstellt. Eine weitere Änderung: Bislang werden Verfahren oft eingestellt, Opfer müssen dann selbst als Ankläger vor Gericht, wenn sie die Tat weiter verfolgen wollen. Künftig soll das anders sein. "Die Staatsanwaltschaft muss dann alle diese Verfahren führen und zu einem Ergebnis bringen", so Maas.

Warum ist das derzeitige Gesetz problematisch?

Betroffene und Verbände kritisieren seit Jahren, dass die Strafbarkeit nicht von den Taten des Stalkers oder von der Beeinträchtigung des Opfers abhängt, sondern davon, wie das Opfer reagiert. Meist wird nur ein Umzug oder ein Jobwechsel als Beweis einer "schwerwiegenden Beeinträchtigung" anerkannt. "Diese Schwelle der Strafbarkeit wird nur selten überschritten", erklärt Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Beratungsstelle Stop Stalking für Opfer und Täter in Berlin. Nur ein bis zwei Prozent aller Strafanzeigen führen demnach zur Verurteilung des Täters.

Was ist Stalking?

Der Begriff Stalking bedeutet "anpirschen". Im üblichen Sprachgebrauch bezeichnet er das unerlaubte Nachstellen eines Menschen. Ein Stalker verfolgt, belästigt oder bedroht sein Opfer, etwa durch Briefe, Anrufe, beharrliches Auflauern oder Nachspionieren. Gesetzlich gilt es aber nur als Nachstellung, wenn der Stalker die "Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt". Das ist etwa der Fall, wenn das Opfer umziehen oder den Arbeitsplatz wechseln muss, um seinem Verfolger zu entgehen. In Deutschland ist Stalking seit 2007 strafbar.

Wer sind die Opfer und Täter?

Etwa zwölf Prozent aller Menschen in Deutschland werden mindestens einmal im Leben gestalkt, heißt es von der Polizei unter Berufung auf eine Studie des Mannheimer Zentralinstituts für seelische Gesundheit. Dem Weissen Ring zufolge sind rund 80 Prozent der Betroffenen Frauen, etwa 80 Prozent der Täter sind Männer. Fälle wie der einer 72-jährigen Frau, die 15 Jahre lang einem Pfarrer nachstellte, sind in der Minderheit. In rund der Hälfte aller Fälle hatten Opfer und Stalker laut der Studie vorher eine Beziehung. Im vergangenen Jahr wurden rund 19.700 Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik verzeichnet - die Dunkelziffer liegt nach Überzeugung von Beratungsstellen und Verbänden aber weit höher.

Was halten Opfer und Verbände von dem neuen Gesetzentwurf?

Wolf Ortiz-Müller von Stop Stalking befürwortet jegliche Gesetzesänderung zugunsten der Betroffenen. Ob der neue Entwurf in der Praxis mehr Schutz bietet, müsse sich noch zeigen. Ortiz-Müller befürchtet, dass die Formulierungen im neuen Entwurf zu vage sind. Seiner Ansicht nach sollten vor allem Beratungseinrichtungen für Opfer und Täter ausgebaut werden. Es müssten Wege geschaffen werden, "wie man frühzeitig nach einer Anzeige die Stalking-Beschuldigten in einen Beratungsprozess einbindet". Der Weisse Ring fordert außerdem Anspruch auf Entschädigung für Opfer, die unter den psychologischen Folgen von Stalking leiden.

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