Die weltweit gefährlichste Fluchtroute bleibt das Mittelmeer in Richtung Europa: Allein dort wurden bis Ende Juni mindestens 2905 Flüchtlinge getötet oder für vermisst erklärt. Die große Mehrheit - mehr als 2500 - ertrank auf dem Weg von Afrika nach Italien. Swing äußerte die Vermutung, dass die Opferzahl in den Sommermonaten nochmals deutlich in die Höhe gehen wird. "Eine sehr große Mehrheit der Flüchtlingen stirbt auf dem Weg nach Europa", sagte der IOM-Chef.
Zugleich warnte Swing, wegen der Konflikte in Syrien und Afghanistan die Krisen in anderen Teilen der Welt aus den Augen zu verlieren. "Wir haben nicht eine einzelne Flüchtlingskrise. Wir haben auf der Welt eine ganze Serie von Krisen - insgesamt neun oder zehn." Der ehemalige US-Diplomat verwies unter anderem auf die Konflikte im Irak, im Jemen oder im Südsudan.
Flüchtlinge werden sich Wege suchen
Mit 165 Mitgliedsländern ist die IOM die weltweit größte zwischenstaatliche Hilfsorganisation. Seit 2015 betreibt sie in Berlin eine Datenbank, in der verschiedene Statistiken zu den weltweiten Flüchtlingsbewegungen ausgewertet werden. Demnach kamen seit Beginn des Jahres über das Mittelmeer mehr als 238.000 Flüchtlinge nach Europa. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 waren es nach IOM-Zahlen etwas mehr als eine Million.
Swing äußerte die Erwartung, dass die Schließung der sogenannten Balkan-Route und die Vereinbarungen zwischen EU und Türkei keine große Wende bringen werde. In ihrer Verzweiflung würden sich die Flüchtlinge andere Wege suchen. "Das ist wie beim Wasser. Man baut einen Damm, und das Wasser fließt darum herum", sagte er. "Flüchtlinge sind einfallsreich, weil sie hoffnungslos sind. Wenn Sie an der einen Stelle eine Blockade errichten, suchen sie sich einen anderen Weg."
Zugleich appellierte er an die westliche Welt, die Flüchtlingsbewegung auch als Chance zu sehen, etwa aus wirtschaftlichen Gründen. Wegen der niedrigen Geburtenraten würden in Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts viele Millionen Arbeitskräfte gebraucht. "Auf längere Sicht gilt: Länder mit einer migrantenfreundlichen Politik geht es besser als anderen." Die meisten westlichen Gesellschaften würden multikultureller, multiethnischer und multireligiöser werden, sagte der IOM-Generaldirektor. "Deshalb brauchen wir in der industrialisierten Welt Informationskampagnen: nicht nur zur Aufklärung darüber, dass das so kommen wird - sondern auch, dass das gut für uns ist."
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