Adidas bietet auch Gelegenheit für abgedroschene Vergleiche oder Anspielungen. Angefangen bei der Fußball-Europameisterschaft, wo die Drei-Streifen-Marke als bisheriger und auch künftiger Ausrüster der deutschen Fußball-Nationalmannschaft das Finale verpasst und damit gegenüber dem Rivalen Nike verloren hat. Frankreich hatte am Sonntag im Finale gegen Portugal das Nachsehen. Dafür trugen Europameister und Vize den „Swoosh“ von Nike. Seit Donnerstag kann ein neues Bild strapaziert werden: das einer Baustelle. Adidas hat den Grundstein für eine erweiterte Zentrale in Herzogenaurach mit zwei neuen Gebäuden gelegt. Der Ausbau steht für das angestrebte Wachstum.
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Und für Umbau. Mit der im Frühjahr 2015 eingeleiteten neuen Strategie hat der nun scheidende Vorstandsvorsitzende Herbert Hainer gewissermaßen selbst den Status einer Baustelle geschaffen – um am Ende schneller und schlagkräftiger zu werden. Zum Konzernumbau gehört auch der angekündigte und von Hainer vorbereitete Verkauf der defizitären Golf-Sparte, der vor seinem Weggang wohl nicht mehr abgeschlossen sein wird. All das ist die Reaktion auf Versäumnisse, die in einem bitteren Jahr 2014 offenbar wurden. Gewinneinbrüche und Kursverluste von bis zu 40 Prozent scheinen dem Vorstandschef noch in den Knochen zu stecken. Damit ist die bildhafte Sprache nicht ausgereizt. In der „Arena“, dem 50.000 Quadratmeter großen neuen Bürogebäude, wird künftig der neue Haupteingang der „Worlds of Sports“ liegen. Hainer hat das Projekt auf den Weg gebracht. Wenn es 2018 fertiggestellt sein wird, hat Kasper Rorsted die Regie übernommen. Der ehemalige Vorstandschef des Konsumgüterkonzerns Henkel beginnt seine Arbeit in Herzogenaurach in zwei Wochen als Vorstand, um am 1. Oktober die Nachfolge von Hainer anzutreten; dem mit mehr als 15 Jahren dienstältesten Vorstandschef eines Dax-Unternehmens. Das neue Gebäude könnte zum Symbol für die Aufbauarbeit des Neuen werden. Die Vorschusslorbeeren für den Erfolgsmanager Rorsted gab es mit der Bekanntgabe des vorzeitigen Chefwechsels Mitte Januar. Damals stieg der Aktienkurs im Verlauf auf 95 Euro, weit entfernt von den heutigen Rekordhöhen. Schon 2015 war Adidas mit einem Kursplus von 56 Prozent Aktie des Jahres. Mit einem Gewinn von 44 Prozent gilt dies auch für den bisherigen Verlauf 2016. Sie sind auf die ersten sichtbaren Erfolge des Hainerschen Strategieprogramms zurückzuführen. Die Umsatzdynamik ist stärker als einst erwartet. Adidas wächst derzeit schneller als Nike, auch wenn die Amerikaner deutlich größer sind. Während die im zurückliegenden Quartal um 6 Prozent wuchsen, legte Adidas um 17 Prozent zu. Für 2016 kündigen die Franken ein Umsatzplus von rund 15 Prozent auf 19 Milliarden Euro an. Nike musste gar einen Rückgang im Gewinn vermelden. Dagegen hat Adidas gleich dreimal die Gewinnprognose erhöht, zuletzt mit einem Zuwachs von 25 Prozent auf 900 Millionen Euro im Konzerngewinn aus fortgeführten Geschäften. Darin allerdings sind Sondererträge enthalten, vor allem aus dem vorzeitigen Ende des Ausrüstervertrags mit dem englischen Fußballklub FC Chelsea, der 50 Millionen Euro einbringt.
„Substantiellen Verbesserungen„
Primus Nike ist derzeit wenig gelitten an der Börse, deren Kurs seit Jahresanfang um 10 Prozent zurückgegangen ist. Die Abstände zwischen beiden sind dennoch gewaltig: Trotz der Kursrally wird Adidas „nur“ mit 26 Milliarden Euro bewertet, die Amerikaner indes mit 90 Milliarden Euro. Sie sind eben immer noch erfolgreicher, mit einer doppelt so hohen Umsatzrendite. Adidas hat aber in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die Produkte ankommen; auch im so schwierigen amerikanischen Markt, selbst wenn vor der Haustür des Rivalen noch viel Arbeit zu erledigen ist. Adrian Rott von der Deutschen Bank bleibt unvermindert optimistisch und setzt das Kursziel auf 155 Euro hoch. Der Analyst rechnet in nächster Zeit mit „substantiellen Verbesserungen“ im operativen Geschäft. Markenstärke, Sondereffekte und die EM sind für Volker Bosse von der Baader Bank Grund, die Aktie mit einem Kursziel von 142 Euro zu empfehlen. Skeptischer ist der Beobachter von UBS, der die Titel neutral einstuft und das Ziel bei 114 Euro belässt. Fred Speirs erwartet, dass sich der Vorsprung gegenüber Nike in Europa verkleinern werde.
Vorsichtige Töne schleichen sich in den Jubel ein. Laut Bloomberg stuft die Mehrheit von 24 Analysten die Titel auf „Halten“ ein, 14 auf „Kaufen“ und vier zum „Verkaufen“. Sicher ist, dass sich Hainer mit einem großen Kursfeuerwerk verabschiedet. Für Nachfolger Rosted wird es anfangs schwierig, noch eins draufzusetzen. Die Arbeit wird in den ersten Monaten hart sein. Der von draußen kommende Manager wird zunächst jeden Stein umdrehen müssen, um neue Ertragspotentiale zu heben. Bei Henkel ist das gelungen – die Börse jubelte.
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