In diesen Wochen steuert Gabriel auf seinen Tag X zu, auf den Tag, an dem sich sein politisches Schicksal entscheidet.
Zwei Wahlen stehen im September an, in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, die für die SPD mit dem Verlust von zwei Regierungschefs zu enden drohen. Auf einem Parteikonvent – dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen – könnten die Genossen das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) kippen, für das Gabriel sich so verkämpft. Und wenn, wie erwartet, dann noch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf seine Eilentscheidung in der Hauptverhandlung bestätigt, ist die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka hinfällig – und Gabriel gebrandmarkt: als Wirtschaftsminister, der sich hemdsärmlig bis wurstig über Verfahrensgebote hinwegsetzt und einfach macht, was ihm gefällt.
Gerade als Gabriel seine Partei auf jenen Linkskurs gesetzt hat, nach dem sich viele sehnten. Gerade als er sich entschieden hat, die Kanzlerkandidatur anzustreben, gerade als er damit begonnen hat, über sich und seine Biografie, über seinen Nazi-Vater, seine Niederlagen und Brüche offen zu reden und damit den Menschen Gabriel kenntlich zu machen, taucht wie aus dem Nichts sein ärgster Feind auf und vermasselt ihm die Tour: er selbst.
Im hochsensiblen Verfahren einer Ministererlaubnis hat Gabriel offenbar ziemlich unsensibel agiert. Im Dezember vergangenen Jahres traf er sich zweimal mit den Chefs von Edeka und Tengelmann, ohne diese Treffen protokollieren zu lassen. Das widerspricht dem Transparenzgebot eines Verfahrens, in dem alle Beteiligten – also auch der Kläger wider die Ministererlaubnis, der Einzelhandelskonzern Rewe – den gleichen Wissensstand haben sollen. Das OLG warf Gabriel daher Befangenheit vor.
Hängen geblieben ist der Verdacht, Gabriel habe die Entscheidung des Kartellamts, die Übernahme zu untersagen, auch deshalb mit seiner Erlaubnis neutralisiert, um der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen besseren Zugang zu Edeka zu verschaffen. Der Rewe-Konzern, der Kaiser’s Tengelmann ebenfalls übernehmen wollte, ist vergleichsweise fest in ver.di-Hand, Edeka hingegen nicht. Dank der Auflagen, die Gabriel mit der Ministererlaubnis verband – Jobgarantie für fünf Jahre, Betriebsräte, Tarifbindung –, hätte ver.di dort seinen Einfluss ausbauen können. Das vorläufige Nein des Gerichtes hat das erst einmal verhindert.
Angeschlagen zieht der Wirtschaftsminister daher jetzt ins nächste Gefecht. Und auch das ist kaum zu gewinnen. So wie im vergangenen Jahr TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA, zum Albtraum für Gabriel wurde, weil er den Protest dagegen erst nicht ernst nahm und dann nicht mehr auffangen konnte, droht es ihm nun mit Ceta zu gehen. Denn auch der TTIP-Wiedergänger Ceta enthält problematische Klauseln, etwa über die umstrittenen Schiedsgerichte.
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