Twitter, stets erklärter Liebling der Tech-Szene samt all ihrer Journalisten, steckt in der tiefsten Krise seit der Gründung 2006. Erst vor wenigen Tagen kündigte die Firma mit dem sympathischen blauen Vögelchen an, acht Prozent der Belegschaft, das entspricht 366 Mitarbeitern, entlassen zu müssen. In Silicon Valley, wo alle Zeichen mindestens auf Wachstum und höchstens auf Weltherrschaft stehen, kommt so etwas selten vor und wenn doch, dann nur bei den Alten. So etwas trifft Microsoft, nicht Twitter.
Nebenprodukt mit Erfolg
Twitter war zunächst nicht mehr als ein Nebenprodukt der Firma Odeo, die eine (allerdings wenig erfolgreiche) Podcasting-Plattform entwickelte. Die Macher suchten 2006 nach Alternativen – und entwickelten den Dienst mit seinen 140 Zeichen kurzen Texthäppchen. In den ersten Monaten gewann er zwar kaum Nutzer, doch nach einem erfolgreichen Auftritt auf der Technologiekonferenz SXSW hob Twitter ab.
Twitter-Aktionäre sind gleichberechtigt
„Wir haben das revolutionärste Kommunikationswerkzeug unserer Zeit geschaffen“, wirbt Dorsey. Der 38-Jährige, den die Firma unlängst in einer Art Verzweiflungsaktion als neuen Chef aus dem Hut gezaubert hatte, spricht an diesem Morgen viel über kulturellen Wandel, Dialogkultur und Freiheit. Zum Beispiel: „Twitter steht dafür, den Mächtigen die Meinung zu sagen.“
Doch ausgerechnet dem eigenen Anspruch wurde der Dienst nicht gerecht. Erst schränkte Twitter 2012 den Zugriff für Entwickler drastisch ein, dann warf man den Live-Streamingdienst Meerkat zugunsten des eigenen Produkts Periscope von der Plattform. Heute nutzen viele Nutzer die Schnittstelle von Facebook, um sich bei einem neuen Dienst anzumelden, darunter beispielsweise Airbnb oder Uber. Und Twitter geht leer aus.
Kein Wunder, dass das Publikum der Entwicklerkonferenz verschnupft reagiert. Wenn überhaupt, dann ertönt nur müdes Klatschen. Während die Ränge des Auditoriums bei jedem anderen Tech-Event gut gefüllt oder im Fall Apple gar ausverkauft sind, bleiben an diesem Tag viele der insgesamt 7000 Sitzplätze leer. Die Zeichen stehen schlecht für Dorsey, der Twitter zu neuem Wachstum verhelfen soll. Twitter ist auf die Gunst der Programmierer und ihrer Produkte angewiesen. Irgendwann muss der Dienst seine Profitabilität schließlich unter Beweis stellen.
Bislang wartet die Tech-Welt vergebens. In die Schlagzeilen gerät die Firma bislang höchstens durch zahlreiche Wechsel im Management wie jüngst den Abgang von Dick Costolo. Der unter der Führung des Ex-Chefs absolvierte Börsengang ist verpatzt. Am Mittwoch riet Morgan Stanley den Anlegern, die Twitter-Aktie im Portfolio geringer zu gewichten. Das Papier verlor daraufhin mehr als fünf Prozent und lag nach Börsenschluss mit rund sechs Prozent im Minus.
Was Smartphones mit besseren Vorhersagen zu tun haben
Präzise Wettervorhersagen sind heutzutage für nahezu jeden Ort der Erde binnen Millisekunden verfügbar. Etwas ist für den rasanten Fortschritt maßgeblich verantwortlich: Das Smartphone.
Die Stimmung im Hauptquartier von Twitter in der Market Street von San Francisco ist mies. Facebook, das nur wenige Jahre ältere Netzwerk, zog längst vorbei. Es verfügt inzwischen über 1,5 Milliarden Mitglieder, Twitter besitzt nur 304 Millionen. Das große Problem des Mikro-Blogging-Dienstes: er ist immer noch nicht im Mainstream angekommen.
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