USA: Türkei erschwert Kampf gegen IS

  29 Juli 2016    Gelesen: 594
USA: Türkei erschwert Kampf gegen IS
Plötzlich ist keiner mehr da: Die USA klagen, die umfassenden Maßnahmen der türkischen Regierung beim Militär behinderten den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Die Staatsanwaltschaft will indes Tausende Richter enteignen.
Die sogenannten Säuberungsaktionen der türkischen Regierung in der Armee behindern nach Ansicht der USA den Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS). "Viele unserer Gesprächspartner sind entlassen oder verhaftet worden", beklagte Geheimdienstdirektor James Clapper auf einer Sicherheitskonferenz in Aspen im US-Bundesstaat Colorado. Dies sei zweifellos ein Rückschlag und erschwere die Zusammenarbeit mit dem Nato-Staat. Betroffen sei der gesamte Sicherheitsapparat.

Nach dem gescheiterten Putsch sind fast 1700 Armeeangehörige unehrenhaft entlassen worden, darunter etwa 40 Prozent der Admiräle und Generäle. Ein Drittel der insgesamt 360 Generäle sind festgenommen worden.

Die USA fliegen vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus Einsätze gegen den IS in Syrien und im Irak. Auch die Bundeswehr nutzt die Basis. Der US-Geheimdienst CIA unterhält zudem einen Stützpunkt in der Türkei, von der aus er mutmaßlich gemäßigte syrische Aufständische unterstützt. Zudem gibt es amerikanische Horchposten in dem Land sowie ein Frühwarnradar für ein europäisches Raketenabwehrsystem. Dennoch gibt es zwischen den beiden Staaten Spannungen: So haben US-Vertreter beklagt, dass die türkisch-syrische Grenze für IS-Kämpfer nicht geschlossen sei.

Abseits des Militärs gehen die Säuberungen weiter: Die türkische Staatsanwaltschaft will die Privatvermögen von mehr als 3000 suspendierten Richtern und Staatsanwälten beschlagnahmen lassen. Betroffen sind 3049 Richter und Staatsanwälte mit mutmaßlichen Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fetullah Gülen, deren Festnahme bereits angeordnet worden sei, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die Juristen sind bereits vom Dienst freigestellt. Beschlagnahmt werden sollen unter anderem Immobilien, Bankkonten oder Fahrzeuge.

Die Regierung macht den in den USA lebenden Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich. Nach Angaben des Innenministeriums saßen am Mittwoch mehr als 1600 Richter und Staatsanwälte in Untersuchungshaft. Die Regierung wirft der Gülen-Bewegung vor, den Staat unterwandert zu haben. Gülen wurde in der Vergangenheit großer Einfluss im Justizbereich nachgesagt.

"Hexenjagd gegen Unschuldige"

Grünen-Chef Cem Özdemir prangerte die Schließung von über 100 Medienredaktionen in der Türkei an. "Von Pressefreiheit kann man in der Türkei längst nicht mehr sprechen", sagte Özdemir der "Rheinischen Post". "Dies hat auch für das Zusammenleben in Deutschland Auswirkungen, wenn über Erdogans Blätter und TV-Sender verbreitet wird, wir würden Terroristen unterstützen oder gar Terroranschläge wie den ISIS-Anschlag in Istanbul verantworten."

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP warnte Präsident Erdogan vor einer "Hexenjagd gegen Unschuldige". "Journalisten zu verhaften wird unserer Demokratie schaden", sagte er der "Bild"-Zeitung. Trotz der Kritik verteidigte Kilicdaroglou aber gleichzeitig das harte Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung und sieht diese hinter dem Putschversuch. "Es gibt starke Anzeichen dafür, dass Teile dieser zusammen mit einzelnen beim Militär hinter dem Putsch stecken." Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan müsse jedoch härter kritisiert werden, verlangte er. "Nicht nur Frau Merkel, sondern alle EU Institutionen können sich viel deutlicher und viel lauter gegen die undemokratischen Sitten aussprechen."

Mit dem jüngsten Dekret Erdogans wurde die Schließung von drei Nachrichtenagenturen, 16 Fernsehstationen, 23 Radiosendern, 45 Zeitungen, 15 Magazinen sowie 29 Verlagshäusern und Pressevertrieben angeordnet. Mit demselben Erlass wurden auch die Militärs entlassen. Der türkische Armeechef Hulusi Akar bleibt hingegen weiter im Amt. Diese zuvor vom Obersten Militärrat getroffene Entscheidung habe Erdogan gebilligt, erklärte sein Sprecher Ibrahim Kalin. Akar war vor zwei Wochen von den Putschisten gefangen genommen, später aber befreit worden.

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