Weil eine Razzia beim "Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim" (DIK) am Mittwoch vorab bekannt geworden ist, stellt Niedersachsens Innenministerium Strafanzeige wegen Geheimnisverrats. Der Vorwurf lautet nach Angaben eines Sprechers auf "Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht". Der Schriftsatz werde der zuständigen Staatsanwaltschaft Hannover zugestellt. In einem Zeitungsbericht der "Neuen Presse" (NP) aus Hannover war in der Mittwochausgabe vor der Razzia zu lesen: "Nach Einschätzungen von Insidern könnten die Ermittler in wenigen Tagen zum entscheidenden Schlag gegen den Verein ausholen."
"Irgendjemand hat etwas durchgesteckt"
Am Montag war der Beschlussantrag für die Durchsuchung laut Innenminister Boris Pistorius (SPD) an das Verwaltungsgericht überreicht worden - und keine 48 Stunden später sei der Artikel erschienen. "Dann hat irgendjemand, wo auch immer, etwas durchgesteckt. Das ist höchst ärgerlich", sagte der Minister am Donnerstag. Durch die Presseveröffentlichung seien die Behörden gezwungen gewesen, "die Maßnahme deutlich vorzuziehen". Das hätte laut dem Minister auch zu einer Gefährdung von Beamten führen können.
Pistorius sprach außerdem von einem Anruf der Zeitung beim "Islamkreis", der dadurch "entsprechend aufgescheucht" worden sei. Das weist die NP als "falsche Anschuldigung" zurück. Nach Angaben des Innenministeriums beruft sich die Zeitung darauf, den Verein per E-Mail kontaktiert zu haben. Unklar ist, ob die Vereinsmitglieder wegen des Artikels und der E-Mail möglicherweise vor der Razzia Beweismittel hatten verschwinden lassen.
"Bundesweiter Hotspot der radikalen Salafisten-Szene"
Die Razzia war laut Pistorius seit Monaten vorbereitet worden. In den vergangenen Wochen habe sich herausgestellt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Durchsuchung sei, um geeignetes Beweismaterial sicherzustellen. Bei der Razzia sei es nicht um eine konkrete Gefährdung gegangen, und sie stehe in keinem Zusammenhang mit den jüngsten Anschlägen in der bayerischen Stadt Ansbach und in einem Regionalzug bei Würzburg, so Pistorius. Es sei ausschließlich darum gegangen, Beweise dafür zu sichern, "dass es sich um einen Verein handelt, der die verfassungsmäßige Ordnung infrage stellt, der zur Radikalisierung von Islamisten beiträgt und damit zur Gefährdung der Sicherheit in Deutschland". Rund 400 Einsatzkräfte durchsuchten die Räume des DIK sowie acht Wohnungen von Vorstandsmitgliedern und mutmaßlichen Hintermännern des Vereins.
Die Moschee in Hildesheim gibt es seit vier Jahren. Seit drei Jahren wird der Verein vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Innenministerium gilt er als "ein bundesweiter Hotspot der radikalen Salafisten-Szene". 19 der 74 bislang ins Kampfgebiet des sogenannten Islamischen Staats ausgereisten Menschen aus Niedersachsen sollen dort radikalisiert worden sein.
Quelle: ndr.de
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