Kurzlebiges Olympia-Glück

  01 Auqust 2016    Gelesen: 681
Kurzlebiges Olympia-Glück
Hunderte Millionen Euro werden die Olympischen Spiele Brasilien kosten. Doch lohnt sich das wirklich? Die Regierung erhofft sich nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung.
Wenn am Freitag in Rio de Janeiro das olympische Feuer entzündet wird, haben die Spiele schon einiges an Kritik hinter sich. Knapp zwei Milliarden Euro kosten die Spiele. Zwar sollen sie privat finanziert sein, doch für den Staat fallen immer noch hohe Kosten an. Allein im Juni bekam der klamme Bundesstaat Rio de Janeiro rund 750 Millionen Euro an Finanzhilfe von der brasilianischen Zentralregierung zugesagt. Ein Großteil davon wird in die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Spiele fließen, während in den Krankenhäusern Medikamente fehlen. Aber, so heißt es oft: Wenn die Spiele erst mal laufen, ist alles vergessen. Dann siegt die Begeisterung.

Ist es das wert? Kurzfristig zahlen sich die Investitionen in sportliche Großereignisse häufig nicht aus – zumindest nicht in klingender Münze. Mehrere Untersuchungen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Konjunkturwirkung von Großveranstaltungen begrenzt ist. Am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 haben Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vorgerechnet: Zwar kamen ein paar zusätzliche Touristen ins Land, aber es waren viel zu wenige, um Deutschland wirtschaftlich gesundzustoßen. In kleineren Ländern könnten die Investitionen in Stadien einen messbaren Effekt auf die Konjunktur haben – auf der anderen Seite stünden aber zusätzliche Staatsschulden. Und wer schon Schulden macht, kann davon auch andere Dinge finanzieren.

Aber ist das alles? Wer an die Stimmung bei der Fußball-WM 2006 zurückdenkt, erinnert sich an ein Sommermärchen: so gut, dass mancher Deutsche beleidigt war, als später Korruptionsvorwürfe gegen die Organisatoren aufkamen. Wenn heute die Jugend der Welt nach Berlin zieht, um dort ihre Start-ups zu gründen: Wurde das nicht auch dadurch begünstigt, dass sich Deutschland mit der WM einen freundlichen, weltoffenen Ruf erarbeitet hat?

All das ist schwer zu messen. Was die Begeisterung angeht, sind Forscher jetzt aber einen Schritt weiter. Eine bislang unveröffentlichte Untersuchung zeigt: Die Begeisterung kommt tatsächlich, aber sie verfliegt schnell wieder. Ein Team aus Ökonomen der London School of Economics, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und weiterer Hochschulen hat rund um die Olympischen Spiele in London 2012 ausgewertet, wie sich die Londoner fühlten. Auch dort ist der wirtschaftliche Nutzen der Spiele umstritten. Beispiel Tourismus: Während der Spiele kamen sogar weniger Reisende nach London als in anderen Jahren. Sie waren aber spendierfreudiger und ließen daher insgesamt sogar etwas mehr Geld im Land.

Die Forscher untersuchten nun, ob die Spiele der Stimmung der Londoner nützten. Sind sie mit ihrem Leben zufrieden? Sind sie ängstlich? Hat ihr Leben einen Sinn? All das fragten die Forscher im Jahr der Spiele sowie im Jahr vorher und in dem danach: nicht nur in London, sondern zum Vergleich auch in Paris und Berlin. Insgesamt wurden rund 26.000 Menschen befragt. In allen Städten ging es den Menschen über die Jahre besser. Nirgends aber verbesserte sich die Stimmung so sehr wie in London im Olympiajahr. Auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) gaben die Londoner ihrem Leben 2011 durchschnittlich noch eine 6,5, im Olympiasommer 2012 schon eine 6,7 – ein solcher Unterschied mag auf den ersten Blick gering erscheinen, ist aber für derartige Umfragen zur Zufriedenheit ein ungewöhnlicher Sprung. Am besten ging es den Londonern rund um die Eröffnungs- und die Abschlussfeier. Doch schon im Jahr danach fiel London relativ gesehen im Städtevergleich wieder zurück. Zwar wuchs die Zufriedenheit noch bis 6,8, doch die Berliner kamen da schon bei 6,9 an. „Der Effekt der olympischen Spiele ist kurzlebig“, resümieren die Forscher.



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