Damals, im Spätwinter 1934, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Albert I. - Urgroßvater des heutigen Königs Philippe - habe beim nachmittäglichen Bergsteigen an einem Dolomit-Felsen oberhalb der Maas den Halt verloren und sei Dutzende Meter in die Tiefe gestürzt.
So weit die offizielle Version, wie sie durch den im Archiv des königlichen Palastes in Brüssel lagernden behördlichen Untersuchungsbericht belegt wird. Tatsache ist, dass nach Einbruch der Dunkelheit der Leichnam des Monarchen, eines leidenschaftlichen Bergsteigers, gefunden worden war. Mehr als acht Jahrzehnte lang schossen danach wilde Spekulationen und Verschwörungstheorien ins Kraut. So wurde behauptet, der König habe sich selbst getötet. Es hieß, er sei an anderer Stelle umgebracht und sein Leichnam später am Fuße des Felsen abgelegt worden. Auch von einem möglichen Verbrechen aus Leidenschaft war die Rede.
Der Stoff taugte über Jahrzehnte für mehr oder weniger spannende Literatur. Zuletzt verarbeitete ihn der flämische Autor Willy Bogaerts in einem Roman, der 2015 unter dem Titel „Mein königlicher Liebhaber“ erschien.
Todesursache mithilfe von Blutspuren festgestellt
Der Phantasie von Schriftstellern und Lesern dürften auch künftig kaum Grenzen gesetzt sein. Oder doch? Ein siebenköpfiges Team um den an der Katholischen Universität Löwen forschenden forensischen Genetiker Maarten Larmuseau hat jetzt mit Hilfe von Blutspuren, die damals am Unglücksort gefunden wurde, fast zweifelsfrei festgestellt, dass die offizielle Version eines Bergunfalls zutrifft.
„Wir können niemals sämtliche Spekulationen verwerfen“, sagt Larmuseau. „Aber diese Untersuchung war eine der letzten Chancen, neue Daten zu sammeln. Die Authentizität der Blutspuren stützt die offizielle Version.“ Nachzulesen sind die Erkenntnisse der sieben Wissenschaftler in einem 24 Seiten langen Beitrag, der von der Zeitschrift „Forensic Science International“ unter dem Titel „The forensic case of King Albert I“ auf Englisch veröffentlicht wurde.
Für Laien aufregender als die detailliert hergeleiteten und beschriebenen wissenschaftlichen Erkenntnisse sind die Umstände, die dazu geführt haben. Seit Jahrzehnten waren als Souvenirs verkaufte Reliquien im Umlauf, die im Februar 1934 angeblich oder vermeintlich an der Unglücksstelle von Schaulustigen gesammelt worden waren. Manche davon waren mit tierischem Blut versetzt. 2013 gelang es dem Journalisten Reinout Goddyn, der für das vom flämischen Fernsehsender VTM ausgestrahlte Magazin „Royalty“ arbeitet, bei einer Auktion in der Nähe von Brügge zwei Sammlerstücke zu ersteigern, angeblich vom Unglücksort stammend, zwölf mal neun Zentimeter groß. Es handelt sich um Buchen- und Efeublätter, die in Glas gerahmt sind, auf vergoldetem Papier liegen, blutbefleckt und offenbar dennoch unversehrt geblieben sind.
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