Fast mehr Galaxien als Sand am Meer

  08 Auqust 2016    Gelesen: 772
Fast mehr Galaxien als Sand am Meer
Astronomen haben einen großen Teil des Himmels durchmustert und eine Karte mit fast 1,2 Millionen Galaxien erstellt. Sie könnte bei der Lösung des größten Rätsels der Astronomie helfen.
Mit der bislang umfangreichsten dreidimensionalen Karte des Universums hat eine internationale Astronomengruppe des „Sloan Digital Sky Survey“ (SDSS) - eine große Durchmusterung sämtlicher astronomischer Objekte von einem Viertel des Himmels - die Entwicklung des Kosmos untersucht.

Ein ganzes Jahrzehnt lang hatten Jeremy Tinker von der New York University und seine Kollegen dafür mit einem Teleskop des Observatoriums „Apache Point“ in New Mexico Positionen und Entfernungen von rund 1,2 Millionen Galaxien präzise vermessen. Die Arbeit war Teil des „Baryon Oscillation Spectroscopic Survey“ (Boss), eines Teilprogramms von SDSS, das der Frage nachgeht, wie die mysteriöse „Dunkle Energie“ die Entwicklung unseres Universums bestimmt.

Die aktuelle Karte stellt nicht nur die räumliche Verteilung der beobachteten Galaxien in einem viele Milliarden Kubiklichtjahre großen Raumbereich dar. Wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit bietet sie auch einen Blick zurück bis in eine Zeit, als das Universum etwa halb so alt war wie heute.

Kosmologen nutzten die Karte nun, um herauszufinden, wie sich die Verteilung der Materie im Laufe der Zeit entwickelt hat. Denn die Galaxien sind nicht regelmäßig im Raum verteilt - sie bilden ein sogenanntes „kosmisches Netz“ aus langen Filamenten und konzentrieren sich insbesondere dort, wo sich mehrere solcher Filamente treffen. Dazwischen liegen gewaltige Leerräume, in denen fast keine sichtbare Materie zu beobachten ist.

Die „größte Eselei“ von Einstein
Kosmologen glauben, dass geringste Dichteschwankungen der Masse der Urmaterie kurz nach dem Urknall für diese Struktur des Weltraums verantwortlich sind. Die Dichteschwankungen hat man in der kosmischen Mikrowellenstrahlung gefunden, dem Echo des Urknalls aus einer Zeit, in der das Universum knapp 400.000 Jahre alt war.

Im Laufe der 13,8 Milliarden Jahre dauernden Expansion des Kosmos sollen sie sich der Theorie zufolge zu den heute sichtbaren Strukturen des kosmischen Netzwerks entwickelt haben. Albert Einstein, der vor rund 100 Jahren seine allgemeine Relativitätstheorie formulierte, glaubte nicht an ein expandierendes Universum. Da ein statisches Universum aber infolge der Gravitation in sich zusammenstürzen würde, führte er in seine Gleichungen eine „kosmologische Konstante“ ein, die für die nötige Ausgleichskraft sorgen sollte.

Nach der Entdeckung der kosmischen Expansion durch den amerikanischen Astronomen Edwin Hubble 1923 nannte Einstein diese Konstante „die größte Eselei seines Lebens“, doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts erlebte sie eine unerwartete Renaissance: Astronomen hatten entdeckt, dass die Expansion des Universums im Laufe der Zeit immer schneller erfolgt. Nun diente Einsteins von ihm selbst verworfene Konstante der mathematischen Beschreibung einer Art „Anti-Gravitationskraft“, die für die Beschleunigung der Expansion sorgt und als „Dunkle Energie“ bezeichnet wird.

Vorherrschende Theorie bestätigt
Die Größe der „Maschen“ des kosmischen Netzes im Laufe der Zeit liefert einen Hinweis auf die Art und Weise, wie die Dunkle Energie die Ausdehnung des Universums bestimmt. Wie die Forscher, darunter auch Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Astrophysik und für extraterrestrische Physik, in einer der kommenden Ausgaben der „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ berichten, deckt sich die aus der 3D-Karte abgeleitete Entwicklung des Netzes gut mit der Annahme einer kosmologischen Konstanten.

Die Beobachtungen von Boss bestätigen damit die vorherrschende Theorie des Kosmos. Was freilich die physikalische Natur der Dunklen Energie ist, können auch sie bis auf weiteres nicht erklären. Die Dunkle Energie bleibt - zusammen mit der davon zu unterscheidenden „Dunklen Materie“ - das größte Rätsel der gegenwärtigen Astronomie.


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