Die Ära der Globalisierung steht vor dem Ende

  24 Auqust 2016    Gelesen: 1041
Die Ära der Globalisierung steht vor dem Ende
Die Welt driftet nicht nur politisch auseinander. Neue Daten zeigen: Auch die wirtschaftliche Verflechtung nimmt ab. Ein Ereignis könnte der Globalisierung bald sogar den Todesstoß versetzen.
Adidas war einst Vorreiter. Schon Anfang der 90er-Jahre stellte das Unternehmen die Produktion in Deutschland weitgehend ein und fertigte stattdessen in Billiglohnländern, von China über Indonesien und Vietnam bis nach Argentinien oder Mexiko. Doch nun will der Sportartikelhersteller zurückkommen. Ab Herbst sollen die ersten hierzulande gefertigten Laufschuhe in den Handel gehen.

Das Unternehmen könnte damit erneut Vorreiter werden. Denn es scheint, als stünde die Ära der Globalisierung vor dem Ende. Der wirtschaftliche Austausch zwischen den Staaten lahmt, teilweise wird die Entwicklung sogar zurückgedreht. Das liegt einerseits an den politischen Entwicklungen, aber auch neue technische Möglichkeiten tragen dazu bei.

"Seit der Finanzkrise hat sich nicht nur das weltweite Wachstum, sondern auch die Zunahme des internationalen Handels verlangsamt", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Die Wachstumsrate des Handels liegt seither sogar unter derjenigen der Wirtschaftsleistung. "De facto heißt das, dass die globale Verflechtung wieder etwas zurückgedreht wird."

Schwellenländer sind in Krisen gefangen

Um dies auch bildlich darzustellen, hat er einen Globalisierungsindex entwickelt. Dazu hat er die Höhe der Investitionen von 16 Ländern in anderen Staaten erfasst und diese ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt. Die Höhe der Balken zeigt jeweils an, wie stark die internationale wirtschaftliche Verflechtung zugenommen hat.

Das Ergebnis ist eindeutig. Bis zum Ende der 90er-Jahre dümpeln die Werte auf dem Schaubild vor sich hin, doch ab 1997 beginnt ein rasanter Anstieg. Dies war die Zeit, als die Ära der Globalisierung richtig in Fahrt kam. Sie wurde kurzzeitig durch die Wirtschaftskrise nach dem Platzen der Internetblase unterbrochen. Doch ab 2003 ging es rasant weiter, bis zu einem Höhepunkt 2007.

Die Finanzkrise sorgte für eine neuerliche Pause. Von dieser jedoch erholte sich der Trend nicht mehr, im Gegenteil, nach einem kurzen Aufbäumen sinkt der Index nun seit Jahren unter Schwankungen immer tiefer und ist inzwischen fast wieder auf dem Niveau der 90er-Jahre angelangt.

Als einen der Gründe für diesen Trend vermutet Bielmeier eine gewisse "Sättigung". Die meisten Unternehmen, die Vorteile aus einer Fertigung in Billiglohnländern ziehen können, haben die Produktion längst verlagert.

Zum anderen sind viele Schwellenländer seit einigen Jahren in Krisen gefangen – von den militärischen Konflikten und der Rezession in Russland über die Korruptionskrise in Brasilien und die Wachstumsverlangsamung in China bis zur aktuellen politischen Krise in der Türkei. Dies lässt viele Firmen zögern, sich zusätzlich in diesen Ländern zu engagieren.

Wachsender Widerstand der Gesellschaften

Zumal das durch die technologischen Entwicklungen oft gar nicht mehr nötig ist. Auch das zeigt das Beispiel Adidas. Denn die Produktion in Deutschland, die nun wieder anläuft, kommt praktisch komplett ohne Arbeiter aus. Die Schuhe werden vollständig von Robotern gefertigt.

Eine Maschine stellt den Stoff für die Schuhe her, eine andere schneidet ihn zu, die dritte erstellt aus Kunststoffteilen die Sohle, und all das wird am Ende von einem Roboter zusammengesetzt und verschweißt. So können Bestellungen innerhalb kürzester Zeit nahe am Bestellort abgearbeitet werden, lange Transportwege entfallen, und die Kosten sind letztlich sogar niedriger, als wenn die Schuhe in Handarbeit in Vietnam gefertigt werden. Und in vielen anderen Branchen macht die neue Technik des 3-D-Druckverfahrens ähnliche Entwicklungen möglich.

Dies fällt schließlich mit einer politischen Entwicklung zusammen: dem wachsenden Widerstand in den westlichen Gesellschaften gegen die Globalisierung. Dieser ist für die meisten Ökonomen unverständlich. "Die Standardtheorie der Ökonomie lehrt, dass freier Handel für alle Regionen, die daran beteiligt sind, positiv ist", sagt Willem Verhagen, Ökonom bei NN Investment Partners. Dies sei auch das entscheidende Argument für die Globalisierung gewesen.

"Wir scheinen allerdings vergessen zu haben, dass diese Handelstheorien auch besagen, dass es innerhalb der Regionen Gewinner und Verlierer gibt", sagt er. Zwar komme es gemäß der Theorie zu einem Ausgleich zwischen diesen Gruppen. "Doch das geschieht nicht." In den meisten westlichen Staaten wurden die Verlierer der Globalisierung ihrem Schicksal überlassen.

Trump ist die größte Gefahr für den Welthandel

Das rächt sich nun, indem populistische und autoritäre Bewegungen Zulauf erhalten, weltweit. Sie alle sammeln die Unzufriedenen und Abgehängten. Die aktuell größte Gefahr für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit stellt dabei der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump dar. "Als Globalisierungsgegner stellt Trump wichtige Handelsabkommen infrage und würde einiges an Schaden anrichten – nicht nur in den USA, sondern auch in Mexiko, Kanada oder China", sagt Martin Moryson, Chefvolkswirt des Bankhauses Sal. Oppenheim. "Zudem könnten viele Länder dem Beispiel folgen und selbst protektionistische Maßnahmen ergreifen."

Ein Wahlsieg Trumps könnte eine Spirale auslösen, in der die Globalisierung Schritt für Schritt rückabgewickelt wird. Bei allen Problemen, die die Globalisierung mit sich gebracht hat, warnt Verhagen davor.

Denn damit gingen auch all die positiven Effekte verloren, die sie zweifellos hatte, wie beispielsweise die Tatsache, dass Hunderte Millionen Menschen auf der Erde dadurch der Armut entkommen sind und in den Industrieländern viele Güter günstiger und erschwinglicher wurden.

Für Verhagen ist es daher wichtig, einen Weg zu finden, um die negativen Effekte abzumildern, wozu ein starkes Wachstum gehöre. "Ein starkes Wachstum, das sowohl dem Kapital als auch gelernten und ungelernten Arbeitern zugutekommt, könnte die Wähler besänftigen." Dann könnte auch der Trend zu einer Rückabwicklung der Globalisierung gestoppt werden. Wie das Ziel einer Globalisierung, von der alle profitieren, letztlich erreicht werden kann, ist jedoch die Eine-Million-Dollar-Frage.

Quelle : welt.de

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