Millionen fallen auf falsche Enkel rein

  29 Auqust 2016    Gelesen: 652
Millionen fallen auf falsche Enkel rein
Den alten Trick gibt es in immer neuen Varianten. Betrüger geben sich nicht mehr bloß als Verwandte, sondern teils auch als Steuerbeamte und Polizisten aus. Der Schaden ist immens.
Jeden Tag werden in Deutschland alte Menschen von Betrügern angerufen. Die Betrüger geben sich als Verwandte aus, als Rechtsanwälte, als Steuerbeamte oder auch als Polizisten. Sie bringen ihre Opfer dazu, ihnen Geld zu geben, nicht selten 100.000 Euro und mehr. Die alternde Gesellschaft, die zunehmende Vereinsamung und auch die Machtlosigkeit der Ermittlungsbehörden führen dazu, dass die Täter immer mehr Opfer finden – schon jetzt sind es Millionen.

So heißt es etwa beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, es sei festzustellen, „dass in den letzten Jahren zunehmend Betrügereien per Telefon gegen ältere Menschen begangen werden“; es sei von einer „dauerhaften Zunahme auszugehen“. Ähnlich äußern sich die Landeskriminalämter in Bremen, in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg, in Sachsen-Anhalt und Berlin.

Die bekannteste Masche der Betrüger ist der sogenannte Enkeltrick. Erfunden wurde er vor 16 Jahren von Angehörigen eines polnischen Roma-Clans. Ermittler gehen davon aus, dass der Clan 2000 bis 3000 Mitglieder hat. Sie leben in Polen, in Amerika, in Deutschland, in Schweden und in Italien: ein mafiöses Netzwerk. Auf Facebook stellen die Täter ihren Reichtum zur Schau. Villen, Yachten, Limousinen, Luxusuhren und Champagner. Alles gekauft mit dem Geld der Opfer.

Die Täter rufen im Minutentakt Hunderte Menschen an
Der Enkeltrick funktioniert in der Regel so: Der Täter ruft das Opfer an und begrüßt es herzlich. Fragt das Opfer den Täter, wer er sei, sagt der Täter: „Erkennst du mich denn nicht?“ Nennt das Opfer einen Namen, gibt der Täter vor, genau diese Person zu sein – zum Beispiel der Enkel. Er erzählt dann, dass er in Not sei, weil er Schulden habe. Dass er unbedingt ein neues Auto brauche. Oder dass er die einmalige Gelegenheit habe, ein Haus zu kaufen. Er bittet um Hilfe, um Geld. Ziert das Opfer sich, droht der Täter mit Kontaktabbruch, macht Vorwürfe. Ist das Opfer bereit, dem vermeintlichen Verwandten Geld zu geben, sagt der Täter, dass er selbst leider nicht kommen könne. Aber er werde eine gute Freundin schicken. Eine nette junge Dame holt das Geld ab.

Die Täter rufen Hunderte Menschen an, im Minutentakt. Joachim Ludwig vom Bund deutscher Kriminalbeamter gehört zu den Polizisten, die sich am längsten und intensivsten mit dem Enkeltrick beschäftigt haben. Er sagt: „Die Täter wissen, es klappt bei 100 oder 1000 Versuchen nicht, irgendwann aber klappt es. Und wenn es in diesem Jahr nicht bei Oma Erna klappt, dann vielleicht im nächsten Jahr oder im übernächsten.“ Stadt für Stadt grasen sie ab. Jeder kann Opfer werden. Oder wie Ludwig es ausdrückt: „Es erwischt uns alle. Das Einzige, was uns vor den Tätern schützen kann, ist ein früher Tod.“

Denn obwohl schon jeder vom Enkeltrick gehört hat, es Präventionskampagnen gibt, funktioniert er immer noch, meistens bei Menschen, die älter als achtzig Jahre sind. Ludwig erzählt von Betroffenen, die kurz zuvor noch dachten, ihnen könne so etwas niemals passieren. „Dann klingelt das Telefon, der Anrufer sagt ,Hallo Oma‘, und sie kommen gar nicht darauf, dass der Anrufer nicht der Enkel sein könnte.“

Viele Opfer fallen doppelt herein

Der Ideenreichtum der Betrüger ist „unerschöpflich“, wie es beim Bundeskriminalamt heißt. Besonders deutlich wird das bei den sogenannten Call-Center-Betrügern, die zumeist von der Türkei aus tätig sind. Die Betrüger überzeugen ihre Opfer beispielsweise davon, an Gewinnspielen teilzunehmen. Dafür müssen sie monatlich einen Betrag überweisen. Oder die Betrüger geben sich als Notare und Rechtsanwälte aus und erzählen, dass sie einen Preis gewonnen haben. Um diesen zu erhalten, sei allerdings eine Vorauszahlung notwendig. Die Täter erklären ihren Opfern dann auch, wie sie zum Beispiel Zahlungen per Western Union ausführen können.


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