Verlässliche Zahlen gibt es nicht: Während laut Zoll bundesweit rund zehn Fälle pro Monat aufgedeckt werden, gehen andere von weit größeren Dimensionen des Problems aus. So schreiben Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Linz in einer Studie, der Anteil der Schwarzarbeiter liege bei bis zu 30 Prozent der 1,1 Millionen Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr in Deutschland angekommenen sind.
Schätzungen von Flüchtlingshelfern und Sozialarbeitern in Niedersachsen und Berlin lagen zwischen 10 und sogar 50 Prozent. In jedem Fall würde dies bedeuten, dass mindestens 100.000 Flüchtlinge in Deutschland schwarz arbeiten, also ohne, dass die vorgeschriebenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. „Viele profitieren von der Not der Flüchtlinge“, so auch die Einschätzung von Emilia Mitrovic von der Beratungsstelle Migration und Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Hamburg.
Nach Erkenntnissen von NDR Info werden Flüchtlinge oftmals von Besuchern oder sogar von Mitarbeitern der Unterkünfte in Schwarzarbeit vermittelt. Die Polizei im Landkreis Harburg etwa ermittelt gegen den ehemaligen Mitarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft in Neu Wulmstorf, der, so ein Polizeisprecher, im Verdacht stehe, „die Situation von Flüchtlingen ausgenutzt zu haben, um sich an ihnen finanziell zu bereichern“.
Nach Angaben des Betreibers Human Care und nach internen Unterlagen, die NDR Info vorliegen, soll der arabischsprachige A. versucht haben, Flüchtlingen gegen Provision nicht nur Wohnungen und Privilegien in der Unterkunft, sondern auch unangemeldete Jobs zu vermitteln. Dafür habe er die Hälfte des Lohns verlangt. Der Landkreis Harburg und Human Care, das 39 Unterkünfte für den Kreis betreibt, erklärten auf Anfrage von NDR Info, dem Mitarbeiter sei Mitte Juli sofort gekündigt worden, nachdem die Vorwürfe bekannt geworden waren. Zudem habe das Unternehmen Strafantrag gestellt. Ähnliche Vorfälle seien im Landkreis Harburg nicht bekannt.
Sozialarbeiter und Flüchtlingshelfer berichten von ähnlichen Strukturen in Berlin und Hamburg. Auch dort seien in Unterkünften Vermittler unterwegs, die Bewohnern gegen Geld Jobs, Wohnungen oder andere Dienste anböten. Das städtische Unternehmen Fördern und Wohnen, das in Hamburg den Großteil der Flüchtlingsunterkünfte betreibt, schreibt auf Anfrage, ihm sei zwar kein Fall bekannt, in dem Schwarzarbeit tatsächlich vermittelt wurde, es habe aber Versuche gegeben. Man kläre deshalb vorab auf und schreite ein, wenn man von unlauteren Praktiken erfahre.
Sozialarbeiter und Flüchtlingshelfer kritisieren, dass Flüchtlinge in der Schwarzarbeit häufig ausgebeutet würden. Auf legalem Wege könnten sie nur schwer Arbeit finden. Viele aber müssten Geld verdienen, um es nach Hause zu schicken oder Kosten für Schlepper zu bezahlen. „Ich will eigentlich nicht schwarz arbeiten“, erzählt ein Mann aus Burkina Faso, der seit zwei Jahren auf seinen Asylentscheid wartet, „aber anders finde ich keinen Job.“ Nima K. von der Berliner Willkommensinitiative berichtet von teils nur 80 Cent Stundenlohn und von angemeldeten 400-Euro-Jobs, hinter denen aber eine illegale Vollzeitbeschäftigung stehe. Um Schwarzarbeit zu finden, verlassen viele Asylbewerber nach Recherchen von NDR Info ihre zugewiesene Unterkunft und ziehen zeitweise in größere Städte, wo sie auf Matratzenlagern oder bei Freunden schlafen. Sie arbeiten dann schwarz als Tellerwäscher, Tapezierer, Putzkräfte oder beladen Container.
Das am 6. August in Kraft getretene neue Integrationsgesetz soll es Asylbewerbern leichter machen, auf legalem Weg Arbeit zu finden. Sozialarbeiter und Flüchtlingshelfer sehen das Gesetz als Schritt in die richtige Richtung, gehen aber nicht davon aus, dass es Schwarzarbeit unter Flüchtlingen stark reduzieren wird.
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