Polen auf Orbáns Weg

  26 Oktober 2015    Gelesen: 519
Polen auf Orbáns Weg
Rechtspopulist Kaczyński als nationaler Führer, die Premierministerin nur Staffage: Polen droht nach der Wahl der Umbau zur illiberalen Demokratie nach Vorbild Ungarns.
Die polnische Zeitung Rzeczpospolita verkündete kürzlich "das Ende Deutschlands, wie wir es kennen". Der Text zielte vor allem auf die Folgen der Flüchtlingskrise ab. Am Sonntag nun besiegelten die Wähler zwischen Oder und Bug das Ende Polens, wie wir es im vergangenen Jahrzehnt kennengelernt haben – jenes modernen, der Zukunft zugewandten Wirtschaftswunderlandes, das nach seinem EU-Beitritt 2004 zu einem allseits geachteten Partner in Europa aufgestiegen ist.

In den kommenden vier Jahren wird die erzkonservative, in Teilen offen nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des Rechtspopulisten Jaroslaw Kaczyński die Geschicke Polens bestimmen. Die PiS erreichte bei den Wahlen zum Sejm, dem polnischen Parlament, aller Voraussicht nach knapp die absolute Mehrheit. So zumindest weisen es die Hochrechnungen aus. Die rechtsliberale Bürgerplattform PO erlitt nach acht Jahren an der Macht eine dramatische, möglicherweise existenzgefährdende Niederlage. Die Partei von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz und ihrem Vorgänger, EU-Ratspräsident Donald Tusk, verlor rund 16 Punkte und stürzte auf 23 Prozent ab.

Polen rückt damit politisch weit nach rechts. Linke Parteien wird es im Sejm vermutlich nicht mehr geben, zum ersten Mal in der postsozialistischen Geschichte des Landes. Auch die liberale Bewegung Modernes Polen (7 Prozent) und die konservative Bauernpartei PSL (5-6 Prozent) dürften künftig nur eine Nebenrolle spielen. Daneben zieht der ultrarechte Rocksänger Paweł Kukiz mit satten neun Prozent ins Parlament ein. Er hatte einst in dem Lied Heil Sztajnbach über die deutsche Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach hergezogen.

Bereits im Mai hatte der PiS-Kandidat Andrzej Duda überraschend die Präsidentenwahl gewonnen. Kaczyński wird also "durchregieren" können, ähnlich wie Viktor Orbán in Ungarn. Wohin die Reise gehen soll, machte der PiS-Vorsitzende noch am Wahlabend klar. Unter dem Jubel seiner Anhänger erklärte er: "Wir werden zeigen, dass das öffentliche Leben in Polen völlig anders aussehen kann, dass wir stolz auf dieses Land sein können."

Der Stolz auf die Nation und die Geschichte gehört zu den Kernelementen der PiS-Programmatik, nicht zuletzt in Abgrenzung zu anderen Staaten, auch innerhalb der EU. Beobachter sind sich einig, dass Polen in Brüssel künftig auf Konfrontation statt auf Kooperation setzen wird – nicht zuletzt in der Flüchtlingspolitik. Kaczyński und Duda hatten zuletzt unisono davor gewarnt, dass Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten "Parasiten und Bakterien" nach Europa bringen könnten.

Kaczyńskis Auftritt am Wahlabend war so bemerkenswert wie bezeichnend. Der Parteichef ließ es sich nicht nehmen, zunächst allein vor die Kameras zu treten, obwohl doch die Sejm-Abgeordnete Beata Szydło Spitzenkandidatin der PiS war – und mithin die eigentliche Siegerin des Abends. Wer noch letzte Zweifel daran gehabt haben sollte, dass die 52-Jährige eine Marionette des PiS-Übervaters Kaczyński ist, wurde nun eines Besseren belehrt.

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