Konversion von Muslimen zum Christentum als Effekt der Flüchtlingskrise?

  26 Oktober 2015    Gelesen: 1174
Konversion von Muslimen zum Christentum als Effekt der Flüchtlingskrise?
Während die Flüchtlingskrise den europäischen Kontinent und speziell die Bundesrepublik pausenlos beschäftigt, titelt die Wiener Tageszeitung „Die Presse“: „Deutschland: Zahlreiche islamische Flüchtlinge lassen sich taufen“. Schon seit längerer Zeit ist die Bekehrung von Menschen, insbesondere aus dem Iran und Afghanistan, zum Christentum ein Thema in der Presse und Öffentlichkeit. Bei den Konvertiten soll es sich mehrheitlich um Flüchtlinge handeln. In Deutschland sollen Missionare erfolgreich dabei sein, muslimische Vertriebene aus islamischen Staaten zur Taufe zu bewegen.
Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, sollen sich allein in Berlin Hunderte Afghanen und Iraner taufen lassen haben. Zudem wird oft angemerkt, dass ein Wechsel der Religion die Chancen erhöhe, ein Bleiberecht in Deutschland zu bekommen. Bei einer Konversion drohen den Flüchtlingen in ihrer Heimat harte Strafen, Verfolgung oder Enteignungen. So stehe im Iran und in Afghanistan auf den Übertritt vom Islam zum Christentum die Todesstrafe.

Mit diesem Argument verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Konvertiten aus dem Iran oder Afghanistan aus Deutschland abgeschoben werden. Der Leiter der Iranerseelsorge bei der Evangelischen Landeskirche in Hannover, Pastor Günther Oborski, äußert sich in der „Presse“, dass seit 2003 bereits 2.000 Iraner in seinem Seelsorgebereich konvertiert seien und das Interesse auch bei den Afghanen deutlich steige.

Statistiken über Konvertiten würden weder von den christlichen Kirchen noch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhoben. Die Deutsche Bischofskonferenz spreche für das Jahr 2009 von 300 Taufen. Zur Anzahl der Konversionen vom Islam zum Christentum äußert sich der Islamwissenschaftler Jörn Thielmann vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa in einem Gespräch mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) wie folgt: „Einige Hundert werden es pro Jahr schon sein. Das sind natürlich deutlich weniger als bei der Konversion vom Christentum zum Islam. Hier geht man von einer mittleren bis hohen vierstelligen Zahl aus. Aber es ist ein steter, kleiner Fluss, der meines Erachtens zunimmt.“

Rolle der Migrationsberatung christlicher Wohlfahrtsverbände

Nach Informationen der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ seien in Dänemark in den letzten zwei Jahren 106 Menschen, die zum Christentum konvertiert sind, genau aus diesem Grund Aufenthaltsgenehmigungen erteilt worden. Es gibt auch Berichte darüber, dass Asylsuchende und Migranten über die Migrationserstberatungen und die Gefängnisseelsorge der kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen Caritas und Diakonie zum Christentum gefunden haben.

AEM: Missionare als „unschätzbare Brückenbauer“

Darüber hinaus meldet die unabhängige evangelische Nachrichtenagentur „idea“, dass die Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM), seine Mitgliedswerke und deren Mitarbeiter dazu aufgerufen habe, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Missionare seien „unschätzbare Brückenbauer zwischen den Kulturen und helfen Gemeinden, ihre Möglichkeiten zu nutzen und zu entwickeln“, ist in einer Erklärung des AEM-Vorstandes zu lesen. Laut AEM müssten staatliche Organe, um Ursachen für Flucht und Vertreibung zu bekämpfen, weltweit aber auch in Deutschland, konvertierte Christen schützen.

Primäre Aufgabe der großen Kirchen ist die Binnenmission

Der Islamwissenschaftler Jörn Thielmann spricht davon, dass besonders evangelikale Gemeinden und Freikirchen bei der Außenmission engagiert seien. Bekannt dürften überdies sektenähnliche und radikale Gruppierungen wie die Zeugen Jehovas oder die Christliche Mitte und Evangelische Allianz sein.

Laut Thielmann halten sich die beiden großen Kirchen in Deutschland, die Katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen mit der offensiven Missionierung von Muslimen eher zurück. Man befürchte, so der Islamwissenschaftler, „den Dialog mit dem Islam zu belasten“. Ziel bei der Katholischen und Evangelischen Kirche sei vielmehr die Binnenmission. Für die Evangelische Kirche scheint die Einschätzung des Islamwissenschaftlers eher zuzutreffen als bei den Katholiken. Denn erst kürzlich hat die Evangelische Kirche im Rheinland eine Broschüre mit dem Titel: „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ herausgebracht. In dem Dokument spricht sich die zweitgrößte evangelische Landeskirche Deutschlands gegen die Missionierungs- und Bekehrungsversuche von Muslimen aus.

In der Handreichung wird folgendes betont: „Eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht widerspricht dem Geist und Auftrag Jesu Christi und ist entschieden abzulehnen.“ Die Verfasser des fortschrittlichen und zugleich gewagten Positionspapiers sind davon überzeugt, dass Missionierung dem interreligiösen Dialog und innergesellschaftlichen Frieden mit den Muslimen schade. Der Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung, Michael Herbst und der Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der rheinischen Kirche, Christoph Nötzel finden das Papier der evangelischen Landeskirche im Rheinland dagegen teilweise bedenklich. Ihnen gehen die dort erwähnten Positionen in mancher Hinsicht zu weit.

Katholische Kirche beim Thema Mission offensiver

Die Katholische Kirche geht das Thema Mission dagegen offensiver an. Mit Mission und aktiver Missionstätigkeit ist sie historisch verwurzelt. Die teilweise gewalttätige Latinisierung Südamerikas, Christianisierung Afrikas oder die Reconquista der iberischen Halbinsel gehören gewissermaßen zur Tradition des Katholizismus. Offiziell hält sich die Kirche nach wie vor an die Anweisungen von Papst Johannes Paul II. Mit Mission ist demnach auch gemeint, die gesamte Menschheit unter der Einheit der Kirche zu sammeln und aktiv für den Glauben zu werben. Zudem ist die Zahl derer in der Katholischen Kirche, die Dialog mit Mission gleichsetzen, nicht gerade gering.

Eine Begegnung auf Augenhöhe, gegenseitiger Respekt und die Achtung religiöser Eigenheiten kann dazu führen, dass Dialog nicht mit Mission verwechselt wird.

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