Ein synchroner Trick macht die Augenwischerei möglich: Im Mittelpunkt aller Kommentierung und medialer Verarbeitung türkischer Verhältnisse steht der misslungene Putsch. Dass lange vor dem Putsch alle Vorformen der Diktatur geprobt wurden, dass nach dem Putsch ein Erdogan-Rachefeldzug auch die trifft, die mit dem Putsch nichts zu tun haben, ist aus der öffentlichen Wahrnehmung nahezu verschwunden. Das soll eine Türkei reinwaschen, die in Syrien jeden Moment auf russisches Militär stoßen kann: Was ist, wenn türkische Panzer bei ihrer Jagd auf syrische Kurden auch nur versehentlich von russischen Raketen getroffen werden? Der Krieg zwischen der Nato und den russischen Streitkräften wäre nicht auszuschließen. Das ist der größte anzunehmende Unfall, der vor einem atomaren Konflikt denkbar wäre.
Schon lange ist die Türkei ein wesentlicher Vorposten der Nato im „Kampf gegen den Terror“. Ausgerechnet in Ankara wurde das „NATO Centre of Excellence Defence Against Terrorism“ 2005 gegründet und dort ist bis heute sein Standort. Auf der Website der Anti-Terror-Organisation prangt das Logo des türkischen Generalstabes neben dem Nato-Signet. Als das Zentrum im Juni 2005 eröffnet wurde, kommentierte der damalige Nato-Oberkommandierende in Europa, James Logan Jones jr., das so: “Wir haben über das spezifisch türkische Problem mit der PKK gesprochen. Die Türkei ist ein idealer Standort für unser Zentrum zur Bekämpfung des Terrors. Sie verfügt über die zweitgrößte Armee der Nato, liegt strategisch sehr günstig und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Bekämpfung von Terroristen."
Natürlich ist ein Terrorist immer der, den die USA und die Nato dazu erklären. Deshalb wird vom Nato-Anti-Terrorzentrum in Ankara auch der Krieg in Afghanistan und der im Irak geführt. Aber die ausdrückliche Erwähnung des „türkischen Problems“ mit den Kurden macht nachdrücklich auf die Einmischung der Nato in einen innertürkischen ethnischen Konflikt aufmerksam. Natürlich auf der Seite der Kurden-Jäger. Auch wenn der Leiter des obskuren Zentrums ein türkischer Militär ist: Die Bundesrepublik Deutschland ist über ihre Nato-Mitgliedschaft selbstverständlich in grundgesetzwidriges Handeln außerhalb ihrer Grenzen und immer schön unterhalb der Information des Parlamentes verwickelt.
Spätestens seit der „Erklärung der Nato und der Europäischen Union über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ vom 16. Dezember 2002, mit der die „strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Nato bei der Krisenbewältigung“ zementiert wurde, hat sich die EU zum verlängerten Kriegsarm der Nato erklärt: „Während die NATO die Basis für die kollektive Verteidigung ihrer Mitglieder bleibt, wird die EU zusätzlich zu den Instrumenten, die ihr bereits zur Verfügung stehen, durch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) in die Lage versetzt, unabhängig Krisenbewältigungseinsätze durchzuführen.“ Man muss natürlich das Wort „Krise“ immer durch das Wort „Krieg“ ersetzen, dann wird die Ungeheuerlichkeit dieses Dokumentes deutlich: Neben und an den nationalen Parlamenten vorbei werden Kriegseinsätze von EU und Nato geplant. Als Fußnote dieser EUR-Lex findet sich dieser Satz: „Die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der EU fand erstmals Mitte der 90-er Jahre in den westlichen Balkanstaaten statt.“ Das Blut, das bei der Liquidierung Jugoslawiens geflossen ist, quillt aus den Zeilen der Eurokratie zur Besiegelung der Nato-Partnerschaft.
Immer wieder wurde und wird der Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union erwogen. Zumeist sind es wirtschaftliche und soziale Überlegungen, die diesen Gedanken befördern. Vor allem die unterschiedlichen Sozialstandards in der EU und die Ungleichheit der wirtschaftlichen Entwicklung haben bisher dieses Nachdenken genährt. Zunehmend kommt die Militarisierung der EU, ihre fatale Partnerschaft mit der Nato hinzu: Die Kurden-Jagd ist längst eröffnet. Die EU macht den Gewehrträger. Deutschland liefert die Munition. Es ist an der Zeit nicht nur „Raus aus der Nato“ zu fordern. Ein „Raus aus der EU“ lässt sich inzwischen mit denselben Argumenten belegen.
Quelle : sputnik.de
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