Gutachter stellen Urteil im Fall Jalloh infrage

  28 Oktober 2015    Gelesen: 463
Gutachter stellen Urteil im Fall Jalloh infrage
Anfang 2005 verbrannte ein Asylbewerber in einer Dessauer Polizeizelle – er soll sich selbst angezündet haben. Ein neues Gutachten hält das für unwahrscheinlich.
Was genau am 7. Januar 2005 in einer Zelle der Dessauer Polizei geschah, ist bis heute ungeklärt. Doch fast elf Jahre, nachdem Oury Jalloh in Polizeigewahrsam verbrannte, halten Gutachter aus Kanada und England eine Beteiligung von Polizisten für wahrscheinlich. Es spreche wenig dafür, dass der Brand von Jalloh selbst gelegt wurde.

Die Justiz hatte in mehreren Prozessen keine Anhaltspunkte für eine Fremdbeteiligung am Tod des aus Sierra Leone stammenden Asylbewerbers gefunden. Fest steht, dass die Matratze in der Zelle brannte und der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh in den Flammen starb. Dass ein später gefundenes Feuerzeug bereits während des Brandes unter dem Opfer in der Zelle gelegen haben soll, fanden die neuen Gutachter – zwei Brandsachverständige, ein Rechtsmediziner und ein Experte für Giftstoffe – wenig nachvollziehbar. Dann hätten Spuren von Gewebe oder Haut daran kleben müssen, sagten sie.

Der Toxikologe sagte, Jalloh sei so betrunken gewesen und habe zudem Marihuana und Kokain genommen gehabt, dass er rein motorisch kaum in der Lage gewesen sei, mit gefesselter Hand die Hülle der Matratze aufzureißen, ein Feuerzeug zu zücken und den Schaumstoff anzuzünden. Zudem, so die Gutachter, deuteten der Verlauf und die Stärke des Feuers darauf hin, dass ein Brandbeschleuniger wie etwa Benzin eine Rolle gespielt hätte. Dass die Ermittler keine Spuren von Brandbeschleunigern fanden, erklären die Gutachter damit, dass diese womöglich vollständig vom Feuer vernichtet wurden.

Die Experten fanden in den Unterlagen zu dem Fall aber auch keine Beweise für die Mordthese der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh". Diese sieht die Polizisten als Täter. Sie hatte auch die neuen Gutachten in Auftrag gegeben. Fraglich ist auch, ob Jalloh beim Ausbruch des Feuers überhaupt noch gelebt hat. Die britischen Gutachter verwiesen darauf, dass die offiziellen Gutachten keinen ausreichenden Nachweis hierzu erbracht hätten. Entscheidende Bilder des Atemsystems, wo sich Spuren von Ruß zeigen müssten, lägen nicht vor, und auch das offizielle Gutachten zum Blutbild zeige keine eindeutigen Werte.

Der Dessauer Staatsanwalt Olaf Braun wies darauf hin, dass derzeit ein weiteres Ermittlungsverfahren laufe. Man müsse sehen, wie die neuen Erkenntnisse zu den bisherigen Ermittlungen passten.

Jalloh war am 7. Januar 2005 in Dessau festgenommen worden, weil er im Verdacht stand, unter Einfluss von Alkohol und Drogen zwei Frauen belästigt zu haben. 2012 war ein Dessauer Polizist wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt worden, weil er nach Ansicht der Richter Jalloh besser hätte überwachen müssen. Der Fall war kürzlich die Grundlage für einen Tatort in der ARD.

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