Miete eine Mama - für 40 Dollar pro Stunde

  06 Oktober 2016    Gelesen: 577
Miete eine Mama - für 40 Dollar pro Stunde
Blöden Tag gehabt und keine Mama da zum Zuhören? Für diese Fälle bietet sich die New Yorkerin Nina Keneally an - als Ersatzmutter zur Miete. Aus dem Wunsch nach mütterlicher Geborgenheit hat sie ein Geschäftsmodell entwickelt.
Nina Keneally hat 40 Kinder - oder Kunden. Je nachdem, wie man das sehen will. Die 64 Jahre alte Frau aus New York City vermietet sich selbst als Ersatzmama. "Need a Mom" heißt ihr Service. Wer eine Mama zum Zuhören, Reden oder in den Arm nehmen braucht, nur nicht unbedingt die eigene, kann Nina Keneally buchen. Für 40 Dollar die Stunde.

Wie diese Zeit gestaltet wird, entscheidet der Klient selbst. Kaffee trinken oder essen gehen, daheim gemeinsam kochen oder auch Papierkram für Behörden erledigen - die Mietmama hilft. "Viele meiner Klienten sind weit weg von zu Hause oder haben einfach keine gute Beziehung zu ihren Müttern", sagt Keneally. Und in genau solchen Fällen springt sie ein.

In der Millionenmetropole New York suchten vor allem Frauen nach jemanden, der einfach nur zuhört, erklärt die Mietmutter. Ihre Mietkinder haben zum großen Teil kreative Berufe, arbeiten in Bars oder im Rotlichtmilieu. Und sind im Schnitt in ihren Zwanzigern oder frühen Dreißigern. Sie könnten vom Alter her also durchaus Keneallys eigene Kinder sein.

Mietmutter: Bloß nicht ungefragt Ratschläge erteilen

Nicht alle haben komplett zerrüttete Verhältnisse zu ihren Eltern, manche suchen einfach nur einen Ansprechpartner. Andere dagegen haben gar keinen Kontakt mehr. Eine Klientin sei beispielsweise lesbisch, erzählt Keneally. Die leibliche Mutter lebe in einem der eher konservativ geprägten Südstaaten der USA. "Ihre Mutter versteht die Lebensweise der Tochter nicht. Oder möchte nicht."

Nina Keneally dagegen hat vor ihrem Einsatz als Mietmutter einiges gesehen. Sie war über 30 Jahre Theaterproduzentin am Broadway. Danach machte sie einen Abschluss zur Beraterin von Alkohol- und Drogenabhängigen und arbeitete acht Jahre lang in einer Methadon-Klinik. Außerdem zog sie zwei Söhne groß.

Bei ihren Einsätzen als Mietmutter will sie einen typischen Elternfehler ganz bewusst nicht machen: "Eltern geben oft ungefragt Ratschläge, für die der andere gar nicht empfänglich ist." Keneally hat das auch bei ihren eigenen Kindern festgestellt. Als professionelle Ersatzmutter gibt sie erst dann einen Rat, wenn sie direkt danach gefragt wird.

Miettochter: "Ich musste wirklich mit jemandem sprechen"

Zu ihren Kienten gehört zum Beispiel Christine, 36, die in einer Bar in New York arbeitet und lieber nur mit ihrem Vornamen genannt werden möchte. Das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter sei gut. Aber über alles kann sie eben nicht mit ihr reden. Zum Beispiel über den Tod ihres Vaters.

"Ich musste wirklich mit jemanden darüber sprechen und mit meiner Mutter ging das nicht", erzählt Christine. Damals nahm sie Kontakt zu der Mietmama auf. Die beiden Frauen treffen sich seitdem zum Kaffee. Ihre leibliche Mutter weiß von dem Ersatz in der Großstadt. "Sie hat kein Problem damit."

Bevor Christine die Mietmutter anschrieb, war sie bei mehreren Therapeuten. Sie litt unter einer Depression. Nach den Sitzungen habe sie sich aber oft schlechter gefühlt als davor. Einfach irgendwie abgefertigt. Bei Keneally sei das anders: "Sie merkt sich alles, was ich sage, und geht darauf ein. Außerdem ist sie ziemlich hip." Christine lacht.

Keneally selbst betont, dass sie keine Therapeutin ist. Wenn ein Klient tiefgreifendere Probleme hat als nur Gesprächsbedarf, sucht sie mit dem Betroffenen gemeinsam professionelle Hilfe.

Therapeut: Mietmutter kann Eltern nicht zu 100 Prozent ersetzen

Sich einfach eine neue Mama suchen, wenn die eigene nicht genug da sein kann? Das ist nicht unbedingt ein schlechter Ansatz, findet der Familientherapeut Björn Enno Hermans von der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF).

"Wo es mit der Bindung zur eigenen Mutter schwierig ist und ich jemanden kennenlerne, der mit sympathisch ist, kann diese Beziehung im Laufe des Lebens sogar schöner und besser sein."

Zu einer selbst gewählten, älteren und lebenserfahrenere Person fänden manche Menschen vielleicht einen besseren Zugang als zu einem Therapeuten, sagt Hermans. "Natürlich nimmt ein Therapeut einen Klienten zum Beispiel nicht in den Arm." Dadurch bleibe die Beziehung immer etwas distanziert. "Da kann ich noch so gut zuhören."

Zu 100 Prozent könne aber auch eine Mietmutter nicht das ersetzen, was sich Kinder vielleicht von ihren Eltern gewünscht hätten. Auch Keneally macht nicht alles mit: "Mom" dürften sie nur ihre eigenen Kinder nennen.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker